Muss der Prozess um den Tod einer jungen Frau neu begonnen werden? Kurz sah es vor dem Landgericht Stuttgart danach aus. Ein vermeintliches Detail sorgt nun für eine Prozesspause von einer guten Woche.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Backnang/Stuttgart - Eine vermeintliche Formalie ist der Grund dafür, dass der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder der Backnangerin Katharina K. länger dauert als geplant. Markus Bessler, einer der Anwälte des Angeklagten Daniel E., beantragte am Montag, das Verfahren auszusetzen oder es zumindest zu unterbrechen. In ersterem Fall hätte der Prozess nach einer Pause von mehr als drei Wochen neu beginnen müssen. Entsprechend ungehalten gab sich die Vorsitzende Richterin Ute Baisch: „Ich hätte jetzt großes Bedürfnis, mich zu äußern, aber meine Ratio sagt mir, dass ich jetzt besser den Mund halte“, meinte sie.

 

Der Anlass für den Antrag der Verteidigung war ein rechtlicher Hinweis, den Baisch zu Beginn des Prozesstags erteilt hatte. Dessen Inhalt: Als Tatmotiv – und damit als Mordmerkmal „Niedere Beweggründe“ – könnte eine Rolle gespielt haben, dass E. das spätere Opfer teilweise wie Besitz behandelt haben soll und ihr das Recht abgesprochen haben könnte, ohne ihn ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Im November 2017 hatte Daniel E. – das hat er eingeräumt – seine Ex-Freundin in einer Wohnung in Backnang-Strümpfelbach (Rems-Murr-Kreis) erwürgt.

Mordfall Katharina K.: Sogar die Nebenklage ist für eine Prozesspause

Der formale Hinweis auf das mögliche Motiv ist nur scheinbar eine Nebensache, das zeigt die Geschichte des Falls: Das Stuttgarter Landgericht hatte Daniel E. im Dezember 2018 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Dabei war es von einem anderen Motiv ausgegangen als die Anklageschrift. Weil es das Gericht im Laufe des Prozesses versäumt hatte, E. und seine Rechtsanwälte mit einem solchen Hinweis auf diese Diskrepanz darauf vorzubereiten, hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil teilweise aufgehoben. Nach dem Hinweis an diesem sechsten Tag des zweiten Prozess nun argumentierte der Verteidiger Bessler, dies käme „für den Angeklagten komplett überraschend“. „Wir benötigen jetzt Zeit, um zu entscheiden, ob er sich erneut zur Sache äußert oder ob weitere Zeugen benötigt werden.“

Schützenhilfe für ihren Antrag bekam die Verteidigung überraschenderweise von Ingo Hauffe, der als Anwalt die Interessen der Familie des Opfers vertritt. Er stimmte zu, weil er befürchtet, dass andernfalls auch das zweite Urteil vom BGH kassiert wird. Denn die Diskrepanz zwischen dem angenommenen Motiv in der Anklageschrift und dem, das dem bevorstehenden, möglichen Urteil zugrunde liege, sei jetzt sogar „deutlich größer“ als diejenige im ersten Prozess.

Bislang keine Hinweise auf Drogenkonsum des Angeklagten

Angesichts der ohnehin schon großen Belastung des Justizsystems und der vielen Aussagen von Zeugen und Experten, die zur Klärung dieses Mordfalls nötig sind, hätte ein Neustart des Prozesses eine riesige Herausforderung bedeutet. Entsprechend einigten sich nun alle Beteiligten auf einen Kompromiss: Eine gute Woche wird der Prozess unterbrochen, am 16. Juli geht er weiter.

Ein Standbein der Verteidigung, angeblicher Drogenkonsum von Daniel E., wackelt indes gehörig. Bislang hat kein Zeugen, auch keiner aus dem Freundeskreis des Angeklagten, seine Version bestätigt: Er hatte angegeben, Kokain, Aufputschmittel und ein Aknemittel genommen zu haben, das ihn aggressiv gemacht habe.