Der katholische Stadtdekan will „mit Feuer und Schwert“ für eine saubere Kirche eintreten. Dazu hat der Dekanatsrat nun ein umfangreiches Präventionsprogramm beschlossen.

Stuttgart - In aller Munde zu sein, ist für die Kirchen in Zeiten der Säkularisierung eigentlich ein Segen. Doch diese Form der Allgegenwart ist für die meisten Christen der katholisch-römischen Kirche wohl eher ein Fluch. Die Diskussionen um die Missbrauchsskandale in den Kirchen setzt allen Gläubigen zu. Und sie setzt sich fort, etwa mit Meldungen, wonach sieben Prozent des Klerus in Australien in Missbrauchsfälle verwickelt sein sollen. Von einer Dunkelziffer, die in solche Statistiken nicht eingeht, ganz zu schweigen.

 

Dementsprechend hält auch in Stuttgart „der große Schrecken“ (Stadtdekan Christian Hermes) an. Dies war vor der jüngsten Sitzung des Dekanatsrates Stuttgart im Haus der Katholischen Kirche am Donnerstagabend zu spüren und zu hören. Und dennoch herrscht im Sprengel eine gewisse Aufbruchstimmung. Sie ist mit einer Entschlossenheit verbunden, mögliche Missbrauchsszenarien im Dekanat Stuttgart so gut wie möglich zu verhindern.

Taten statt Worte

„Wir wollen nicht nur schöne Worte machen, sondern auch konkret handeln. Es reicht nicht zu sagen, es ist schlimm“, intonierte der zweite Vorsitzende des Dekanatsrates, Bernhard Kees, die Sitzung. Für die Stuttgarter Katholiken gehe es jetzt darum, „klare Lösungen für die Missbrauchsprävention zu finden“.

Diese Vorrede war gewissermaßen die Vorlage für Stadtdekan Hermes, der den Ratsmitgliedern sein Sieben-Punkte-Programm präsentierte. Dabei kündigte Hermes an, dass er mit „Feuer und Schwert“ dahinter her sein werde, damit die Regeln des Präventionsprogramms „nicht nur gelocht und abgeheftet, sondern gelebt werden“. Weiter drohte er: Jeden Pfarrer, der dies nicht umsetze, werde er zur Verantwortung ziehen. Denn nun gelte nur noch ein Ziel: „Wir müssen ganz viel verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen. Denn wir sind in einer kritischen Situation.“ In diese missliche Lage habe auch geführt, „dass dieser Missbrauch auch noch religiös verpackt wurde“, so Hermes: „Und dies ist das schrecklich perverse daran.“ Daher gebe es im Stuttgarter Stadtdekanat nun klare Regeln: „Denn nur durch Fasten werden die Strukturen nicht gerechter.“

Alles zum Schutze der Kinder

Konkret bedeutet das für Hermes zum Schutz des Kindeswohls: Wo es im Sprengel noch kein „Institutionelles Schutzkonzept“ gibt, muss dies erstellt, in Kraft gesetzt, veröffentlicht und der Geschäftsstelle des Stadtdekans vorgelegt werden. Die Einhaltung und Umsetzung, so Hermes, habe der jeweilige Pfarrer oder Leiter sicherzustellen. Mehr noch: Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter sind weiterhin dazu verpflichtet, eine Selbstauskunftserklärung sowie ein erweitertes Führungszeugnis abzugeben. Überdies müssen jene Mitarbeiter einen „Verhaltenskodex“ unterzeichnen. Wichtig dabei, so Christian Hermes: All dies soll nun jährlich nachgeprüft und dokumentiert werden.

Da Stillstand gleichbedeutend mit Rückschritt ist, will der Stadtdekan nun auch sicher stellen, dass alle kirchlichen Mitarbeiter, die in Kontakt mit Kindern, Jugendlichen oder erwachsenen Schutzbefohlenen sind, über Missbrauchsprävention informiert und fortgebildet werden. Zuletzt soll laut Hermes in Zukunft eine „unabhängige, nichtkirchliche Institution des Kinderschutzes mit der Prüfung der Regelungen beauftragt werden“.

Der Dekanatsrat segnete diesen Katalog nach kurzer Diskussion einstimmig ab. Auch um Christian Hermes in seinem couragierten Vorgehen bei der innerkirchlichen Kritik und der Aufklärungs-Arbeit den Rücken zu stärken, wie Bernhard Kees in seiner Schlussrede betonte.

Und doch, so meint Stadtdekan Christian Hermes realitätsbewusst: „Ein kranker und krimineller Mensch wird bei aller Prävention und Vorsicht wohl eine Lücke finden.“