Stadtdekan Hermes tritt dem Segnungsverbot von Homosexuellen mit theologischen Argumenten entgegen. Kirchen hissen die Regenbogenflagge.

Stuttgart - Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Das ist wohl nun auch in der römisch-katholischen Kirche passiert. Seitdem die Glaubenskongregation abgelehnt hat, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, ist offenbar etwas zerbrochen im Verhältnis der Kurie und vielen Priestern, Diakonen, Pastoral- oder Gemeindereferenten. Nicht zuletzt im Verhältnis zu den Gläubigen. Viele erheben nun jedoch ihre Stimme gegen Rom. Auch in Stuttgart wird der Widerstand nun sicht- und hörbar. Kirchen, wie etwa die Marienkirche in der Tübinger Straße oder das Haus der Katholischen Kirche, haben die Fassaden mit der Regenbogenfahne als Zeichen der Solidarität für die Ausgegrenzten beflaggt. Und es scheint eine Frage der Zeit, bis weitere Kirchen dazukommen. Pfarrer Werner Laub (St. Elisabeth) hat bereits eine Regenbogenflagge bestellt. Auch für ihn ist das Verbot, einen Menschen zu segnen, unerträglich. Aus Kirchenkreisen hört man zudem, dass diese Anordnung „theologisch nicht auf der Höhe“ sei. So etwas zu äußern oder gar zu kirchlichem Ungehorsam aufzurufen, ist im römisch-katholischen System gefährlich. Dienstrechtliche Schritte wären die Folge. Selbst Bischof Fürst soll ein TV-Interview zur Sache abgelehnt haben.

 

Stadtdekan hat gute Argumente

Auch Stadtdekan Christian Hermes war zuletzt sparsam mit seinen Kommentaren zu den Verlautbarungen der Glaubenskongregation. Allerdings nicht, weil ihm der Mut fehlte. Eher weil die Sache sehr komplex ist und nach einer ausführlichen Würdigung verlangt. Daher hat sich Hermes nun per Essay auf seinem Nachrichtenkanal im Internet dezidiert geäußert. Überschrift: „Eine autoritäre Verbotsmoral, die nicht auf Einsicht setzt, findet kein Gehör“. Zurecht seien daher nach seiner Meinung viele Menschen über das Segnungsverbot irritiert. In seiner Argumentation kommt die Glaubenskongregation aus folgenden Gründen zu ihrer (Fehl-)Haltung: „Sie geht davon aus, dass sie theologisch-wissenschaftliche, pastorale, ethische und humanwissenschaftliche Entwicklungen nicht zu beachten hat, sondern die überlieferte Lehre autoritativ zu bekräftigen und zu verteidigen hat und dafür von der ganzen Kirche Gehorsam verlangen kann.“ Zweitens, weil eine traditionelle Morallehre zugrunde liege, dass alle Formen von Sexualität außerhalb einer kirchenrechtlich gültigen Ehe nicht „in Ordnung“ und insbesondere Homosexualität per se „naturwidrig“ sei und den „Plänen Gottes“ widerspreche.

Monsignore Hermes meint dagegen, „wenn die Verengung der Wahrnehmung von Beziehungen auf die Ausübung von Sexualakten überwunden werden kann, können die personalen Werte, die in Beziehungen gelebt werden, in den Blick kommen.“ Weiter führt er aus: „Wenn erwachsene Menschen in Freiheit einander Treue, Liebe, Verantwortung und Beistand versprechen, dann hat dies einen hohen moralischen Wert und dann entspricht dies dem Heilswillen Gottes. Es ist theologisch insofern nicht nachvollziehbar, warum dieses Versprechen und diese Lebenshaltung nicht im Namen des liebenden Gottes gesegnet werden können sollte.“