Wenn ein Verein nur Männer als Mitglieder aufnimmt, soll er nicht gemeinnützig sein, hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz angeregt. So sehen Vereine im Südwesten das Thema.

Stuttgart - Wenn ein Verein nur Männer als Mitglieder aufnimmt, soll er nicht als gemeinnützig gelten und damit verbundene steuerliche Vorteile haben. So lautet der Wille von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), wie dieser der „Bild am Sonntag“ mitteilte. Scholz verwies darauf, dass es deutschlandweit „Hunderte Vereine wie Schützengilden oder Sportklubs“ gebe, die ausschließlich Männer zuließen.

 

Mit dem Thema hatte sich auch schon der Bundesfinanzhof 2017 befasst: Nach seiner Entscheidung war eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen hatte, nicht gemeinnützig. Die Loge habe keine zwingenden sachlichen Gründe für den Ausschluss von Frauen anführen können, teilte das Gericht damals mit. Zudem hieß es, dass die Entscheidung sich auch auf andere Vereine auswirken könnte. Der Wissenschaftlich Dienst des Bundestags kam seinerzeit zu dem Ergebnis, diese Entscheidung sei „in ihren tragenden Gründen auf Schützenvereine übertragbar“.

Welche Rolle spielt das Thema in Baden-Württemberg?

Eine Übersicht, wie viele gemeinnützige Vereine im Land nur Männer zulassen, gibt es nicht. Gemeinnützige Vereine werden zwar im Vereinsregister geführt, die Informationen aus den Satzungen aber nicht dauerhaft für die Öffentlichkeit einsehbar zur Verfügung gestellt, sagte ein Sprecher des Justizministeriums unserer Zeitung. Um eine Übersicht zu bekommen, müssten die vier Registergerichte im Land somit selbst erst eine Erhebung machen.

Zumindest der Männergesangsverein Urbanus in Lauffen am Neckar (Kreis Heilbronn) hätte aber ohnehin nichts zu befürchten, sollte Scholz’ Vorstoß umgesetzt werden. „Von unseren rund 200 Mitgliedern sind drei Frauen“, sagte der erste Vorsitzende Wolfgang Weißinger unserer Zeitung. Die Frauen seien zwar nur passive Mitglieder, das treffe aber auf etwa die Hälfte aller Mitglieder zu.

Vereinsvorsitzender: Vorschlag ist „Blödsinn“

Hinter der Motivation von Frauen, einem reinen Männergesangsverein beizutreten, vermutet Weißinger in erster Linie die Tradition in einem kleinen Ort wie Lauffen. „Wenn man bei Audi anfängt, tritt man in der Regel ja auch der IG Metall bei“, sagte er. Für „Blödsinn“ hält er Scholz’ Vorstoß, dieser gehe an der Lebenswelt vieler Vereine im Land vorbei.

Der Vizepräsident des Landesmusikverbands Jörg Schmidt sieht durchaus die Gefahr, dass Scholz’ Vorschlag der Chorlandschaft im Südwesten schaden könnte. Der Vorschlag klinge noch unausgegoren. Werde das umgesetzt, was derzeit im Raum stehe, könnte das zu einem „riesigen Männerchorsterben“ führen, da es auch Vereine im Land gebe, die nur aus einem reinen Männer- oder einem reinen Frauenchor bestünden.

Auch beim Württembergischen Landessportbund trifft die Idee auf Kritik. Der Verband ist nach Angaben des Sprechers Thomas Müller für rund 5700 Sportvereine im Land zuständig. Er könne zwar nicht hundertprozentig ausschließen, dass darunter Verbände seien, die Frauen ausschließen, sagt Müller. Bekannt sei ihm ein solcher Fall aber nicht. „Das würde auch unserem Grundsatz ‚Sport für alle’ widersprechen“, sagte er. In der Aufnahmeordnung des Verbands ist laut Müller festgelegt, dass die Mitgliedschaft der Allgemeinheit zugänglich sein muss. Wenn ein Verein beitreten möchte, werde seine Satzung daraufhin geprüft.

Im Jugendbereich trainieren Jungs und Mädchen oft zusammen

Bei traditionellen Männersportarten sei es denkbar, dass Frauen sich in den jeweiligen Vereinen anderweitig engagieren, sagt Müller. Zudem werde zumindest im Jugendbereich oftmals noch gemischt trainiert. Als Beispiel nennt Müller ein Schnuppertraining eines Baseballvereins aus der jüngsten Zeit, bei der Mädchen und Jungen gemeinsam trainiert hätten. Für den Bereich Sport hält Müller Scholz’ Vorstoß deshalb für eine „Luftnummer“.

Die Burschenschaft „Hilaritas“ in Stuttgart erklärte auf Anfrage: Der Wohnheimsverein der Burschenschaft sei gemeinnützig, vermiete aber auch Zimmer an Frauen. Der Rest der Burschenschaft sei kein gemeinnütziger Verein.

Was ist mit den Landfrauen?

Vereinzelt lassen sich zwar gemeinnützige Vereine im Land finden, die laut Satzung nur Männer als aktive Mitglieder zulassen. So heißt es etwa in der online verfügbaren Satzung der Blutfreitagsgemeinschaft Weingarten, dass „nur Männer mit christlicher Lebensauffassung“ aktives Mitglied werden können. Traditionell nehmen am Blutritt nur Männer teil. Passive Mitglieder können laut Satzung aber alle natürlichen und juristischen Personen werden.

Eine ähnliche Regelung gilt auch beim Landfrauenverband Württemberg-Baden. Männer können zwar Fördermitglieder werden, haben aber kein aktives Stimmrecht. Das sagte eine Ansprechpartnerin des Verbands unserer Zeitung. Scholz’ Vorstoß lässt somit noch einige Fragen offen – unter anderem, wie relevant er für den Alltag in den meisten Vereinen wirklich ist.

Sitzmann warnt vor Pauschalisierung

„Der Gedanke ist ja nachvollziehbar, aber erst mal will ich sehen, wie so eine Regelung aussehen soll, ohne dass wichtige Anliegen für die Unterstützung für Frauen unter die Räder kommen. Man darf einen Frauenchor so wenig in seiner Existenz gefährden wie eine Selbsthilfegruppe für Frauen“, sagt Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne).

Ein Verein verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn er ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit selbstlos fördert. Dabei orientiere sich die „Förderung der Allgemeinheit“ am Grundrechtskatalog, so Sitzmann. Liege eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern vor, komme es darauf an, ob es hierfür eine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies gelte beispielsweise bei Frauenvereinen, die der Unterstützung von Frauenhäusern dienen. In solchen Fällen ist eine Diskriminierung des anderen Geschlechts ausgeschlossen.

Wie viele Spenden an gemeinnützige Vereine steuerlich geltend gemacht werden, wird in Baden-Württemberg nicht gesondert erfasst. Bundesweit sind es laut Subventionsbericht der Bundesregierung rund 2 Milliarden Euro pro Jahr. Heruntergerechnet auf das Land - ohne Kommunen - führt die Steuerbegünstigung von Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher und gemeinnütziger Zwecke sowie von Zuwendungen an politische Parteien zu Steuermindereinnahmen von schätzungsweise 100 Millionen Euro pro Jahr.