Eine rasante Entwicklung macht Rommelshausen seit 1955 durch. Für die Jugend war das „Wiesle“ früher ein Eldorado.

Kernen - Der Blick aus der Luft im Jahr 1955 auf Rommelshausen verblüfft: Der Ort stellt sich als ein Ensemble von einigen Hauptstraßen mit Bebauung auf beiden Seiten dar. Die Äcker des Schmidener Felds sind weitgehend unberührt – beidseits der Waiblinger Straße. Das Ortszentrum im engeren Sinn (auf unserem Luftbild im unteren Teil) liegt in der Hauptstraße mit dem alten Rathaus, heute Notariat, dem altem Pfarrhaus, heute Polizeiposten und der Kirche.

 

Zum alten Ortskern gehören auch die Stettener Straße und die Schafstraße, aber die umschließen gemeinsam mit der Hauptstraße eine große zentrale Grünfläche voller Bäume. Einst floss dort der Krättenbach, auch Krettenbach geschrieben. „Wasser läuft da keines mehr“, sagt Emil Knoll, einst CDU-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat und kundiger Zeitzeuge. „Außer bei starkem Regen. Das Gelände war Sumpfgebiet mit Weiden.“

Das Grünidyll inmitten Rommelshausens ist zumindest südlich der Stettener Straße praktisch verschwunden, bebaut mit einem evangelischen Gemeindezentrum, mit der Friedenskirche, dem Rathausneubau und – zuletzt – dem Bürgerhaus. Dass es sich um ein Schwemmland handelt, kam die Gemeinde Kernen beim Rathaus-Neubau Ende der 1980er-Jahre teuer: Eine tiefe Gründung wurde notwendig. Beim Bau des Bürgerhauses plante man dies ohne öffentliches Aufsehen von vornherein ein. In den Achtzigern aber dachte mancher nicht mehr daran: Die Altvorderen hatten das Wasser in einem Kanalrohr gefasst und begonnen die tiefer liegende Talsohle aufzufüllen. Für ein dreistöckiges Gebäude wie das Rathaus eignet sich ein solcher Grund nur mit Pfählen im Boden.

Der Aktionsradius der Jugend ist nun begrenzt

Die Jugend des Dorfs bedauerte die Auffüllungen und einsetzende Siedlungsentwicklung, wie Emil Knoll berichtet: „Die haben uns damals den Schlittenhang genommen.“ Zwar rast auch noch die heutige Jugend gern halsbrecherisch den Abhang herunter, aber an etwas anderer Stelle, am Hang vom Meiereigebäude des einstigen Schafhofs zur Stettener Straße. Die 1955 noch bestehende ortsbildprägende Schafhof-Scheuer ist durch zwei Wohnhäuser ersetzt worden, weitere Gebäude sind am Hang entstanden. Der Aktionsradius der Jugend ist nun begrenzt, und unten droht Gefahr durch Autos. Ein stützendes Mäuerchen schränkt die Schlittenbahn seit dem Bau des Bürgerhauses weiter ein. In Knolls Jugend dagegen war die Höhendifferenz bis zur noch nicht aufgefüllten Talsohle bedeutend höher, die Bahn also länger. „Heute ist das nicht mehr so wild“, sagt er. Die Mutter wurde unruhig, wenn sich die Jugend ins „Wiesle“ – so sagen es alte „Römer“, also alteingesessene Rommelshauser – verdrückte. „Für uns war es El Dorado“, berichtet Knoll. Mancher erinnert sich mit Wehmut, dort seine erste Zigarette geschmaucht zu haben. Seit langem schon verkünden Pfarrhäuser im Bungalow-Stil, dass inzwischen für ein gewisses Maß an sozialer Kontrolle gesorgt ist.

Die Karlstraße ist die Hauptschlagader Kernens

Weiter nördlich fällt auf: Es gibt die Karlstraße zwischen Adlerkreuzung und Tulpenstraße noch nicht. 1985/86 ist sie erst gebaut worden. Zuvor quälte sich der Verkehr durch die Waiblinger und Stettener Straße. Heute ist die Karlstraße die Hauptschlagader Kernens, meistbefahren und laut. Ohne die Fußgängerampeln und einige Querungshilfen, sowie Zebrastreifen am Adlerkreisel, der Kreuzung von Fellbacher, Karl- und Waiblinger Straße, kommt man nicht drüber. Der Name des Kreisverkehrs erinnert an die abgerissene Gaststätte. Heute steht dort ein Neubau mit einem indischen Restaurant.

Knolls Elternhaus stand einst in der Karlstraße. Die Gemeinde hat es später gekauft und ein Sanierungsgebiet abgegrenzt. Edeka, Arztpraxen und eine Apotheke stehen dort, wo 1955 noch ein Feldweg war.

Weiter östlich weitere Neubauten, ältere wie die drei Giebel der Volksbank, früher Rommelshauser Bank, jüngere wie das Gebäude mit der Drogerie Rossmann, Steuerberater-Büros und Arztpraxen. Die auf dem Foto verbliebene Grünaue weiter Richtung Norden ist inzwischen auch schon wieder angeknabbert durch die Bagger und zur Hälfte bereits zum Baugebiet Tulpenstraße erklärt und erschlossen.