Brüssel will den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Doch nun werden die Laufzeiten von Kernkraftwerken verlängert und der Bau von Windparks erweist sich als sehr langwierig.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Tinne Van der Straeten hat ein großes Problem. Die grüne Umweltministerin muss die gerade beschlossene Laufzeitverlängerung für zwei Atomreaktoren in Belgien irgendwie als Erfolg verkaufen. Aus diesem Grund redet die Politikerin im Moment sehr oft über Geld. Weit über eine Milliarde Euro werde in den kommenden Jahren zusätzlich in den Ausbau der erneuerbaren Energien gesteckt, betont Tinne Van der Straeten immer wieder. Vor allem die Erweiterung der Offshore-Windparks in der Nordsee solle vorangetrieben werden.

 

Schwieriger Ausbau der Windparks

Doch der angekündigte Ausbau der Windparks vor der nur rund 70 Kilometer messenden belgischen Küste ist eine äußerst komplizierte Angelegenheit. Die bereits bestehenden Anlagen zu modernisieren stößt an enge technische Grenzen. So sind nach Aussagen der Betreiber unter anderem die Fundamente nicht ausgelegt für wesentlich leistungsstärkere Windräder. Auch würden höhere Anlagen die Leistung der angrenzenden, bereits bestehenden Offshore-Parks beeinträchtigen.

Aus diesem Grund plant die Regierung in Brüssel, einen neuen Windpark im Westen der belgischen Hoheitsgewässer zu installieren. Das stößt allerdings auf heftigen Widerstand der davon betroffenen Anwohner. Auch ist noch nicht ganz geklärt, wie der erzeugte Strom ins Landesinnere transportiert wird, denn auch gegen die geplanten Hochspannungstrassen gibt es unzählige Einsprüche. Angesichts dieser noch nicht geklärten Probleme sollen die ersten Anlagen im sogenannten Prinzessin-Elisabeth-Areal 2027 ans Netz gehen.

Die Folgen des Krieges in der Ukraine

Während Tinne Van der Straeten in Sachen ökologischer Energiewende goldene Zeiten verspricht, versucht sie den Kurswechsel bei der Atomkraft angesichts der stark gestiegenen Energiepreise kleinzureden. Das sei eine Kröte, die in Folge des Krieges in der Ukraine geschluckt werden müsse. Belgien betreibt zwei Atomkraftwerke mit insgesamt sieben Reaktoren, die im Jahr 2025 alle vom Netz gehen sollten. Nun werden die Reaktorblöcke Doel 4 bei Antwerpen und Tihange 3 bei Lüttich nach dem Willen der Politik wohl bis 2035 weiterlaufen.

Vehementer Widerspruch kommt allerdings ausgerechnet von den Betreibern der als pannenanfällig geltenden belgischen Atomkraftwerke selbst. Das französische Unternehmen Engie hat zuletzt immer wieder betont, kein Interesse an längeren Laufzeiten zu haben und wollte sich lieber auf den Ausbau alternativer Energien konzentrieren. Der Konzern argumentiert, dass rund eine Milliarden Euro notwendig sei, um die alten Atommeiler den geltenden Sicherheitsbestimmungen anzupassen.

Alles eine Frage der Kosten für Atomkraft

Nach der Ansage aus Brüssel heißt es von Seiten von Engie nun, dass man gemeinsam mit der belgischen Regierung „Machbarkeit und Umsetzungsbedingungen der in diesem Stadium in Betracht gezogenen Lösungen untersuchen“ werde. Insgesamt überstiegen allerdings „Unvorhersehbarkeit und Umfang“ dieser Entscheidung die normale Tätigkeit eines privaten Betreibers. Der Konzern fordere daher eine aktualisierte und „angemessene Aufteilung der Risiken und Chancen“. Im Klartext bedeutet dies, dass wahrscheinlich der Steuerzahler für die Kosten der längeren Laufzeiten aufkommen muss.