Ein Wohnzimmer für alle gibt es im Kernerviertel. Das Motto lautet: „Come as you are“, komm, wie du bist. Jeder, der Lust auf ein Schwätzchen hat, ist willkommen.

Stuttgart - Wer lebt eigentlich nebenan? Was ist das für eine Dame, die jeden Morgen mit ihrem winzigen Hund Gassi geht? Wie ticken die Leute in der Studenten-WG in der Dachgeschosswohnung? Und ist der grummelige Autofahrer von schräg gegenüber wirklich so grummelig oder nur gestresst? Großstädter wissen bisweilen wenig über die Menschen, mit denen sie Tür an Tür wohnen.

 

Ein Gebäude an der Kernerstraße 45 will das ändern. „Casa – ein öffentlicher Raum für alle“ steht über der braunen Holztür am Schützenplatz unweit der Großbaustelle Hauptbahnhof. Drückt man die Klinke hinunter, steht man mitten im jüngsten Projekt eines Bürgervereins, der bereits mehrfach Schlagzeilen gemacht hat. Die Errichtung eines Parklets, die verhinderte Umgestaltung des Schützenplatzes zu einem Kreisverkehr, die Anmietung zweier leer stehender Räume eines ehemaligen Getränkehändlers: Im Kleinen zeigt der Verein, was man erreichen kann, wenn man sich nachbarschaftlich zusammenschließt. Und einfach mal was für sich und seine Mitmenschen tut.

Öffentliches Wohnzimmer hat WG-Charme

18 Mitglieder zählt der Verein heute, Vorsitzender ist Frank Schweizer, ein Kernerviertel-Original mit „Oben bleiben“-Button am Käppi und langer Vita politischen Einsatzes. „Ich zog 1971 hier am Kernerplatz in eine Studenten-WG“, blickt der Mann mit der Brille und den weißen Haaren zurück, als er gerade die Räumlichkeiten aufschließt. „Später kaufte ich das Haus, in dem ich als Student wohnte, und war irgendwann auch im Bezirksbeirat. Obwohl ich nicht aus Stuttgart komme, bin ich hiergeblieben und mittlerweile ein echter Kernervierteler.“ Ein wenig Stolz ist aus diesen Worten schon herauszuhören.

Das öffentliche Wohnzimmer, das mittwochs bis freitags um 15 Uhr öffnet, hat WG-Charme. Das Motto lautet: „Come as you are“, komm, wie du bist. Angesprochen werden Studenten, Eltern, Rentner, Kinder oder Leute auf der Suche nach einem temporären Arbeitsplatz, einem Schwätzchen, einem Kaffee. Kurzum: alle, die hier wohnen oder dran vorbeikommen oder einfach nur interessiert sind. „Wir wollen einen sehr unverbindlichen Ort mit niedriger Schwelle“, sagt Frank Schweizer. „Nichts, wo sich manche Menschen vielleicht gar nicht erst reintrauen.“ Geplant sind Spieleabende, Filmvorführungen, Konzerte und vieles mehr. Voraussetzung ist, dass die Kosten weiterhin zu einem gewissen Teil von Spenden getragen werden.