Die Forschungsanlage Wendelstein 7-X soll eine neue Kraftwerkstechnik erproben und so der Kernfusion einen Schritt näher kommen. Der Bau ist fertig und wird am Dienstag eingeweiht. In Betrieb geht die Anlage im kommenden Jahr.

Stuttgart - Wenn am heutigen Dienstag die Festgäste beim Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald anreisen, müssen sie nach der Wendelsteinstraße 1 suchen. Der Berg gleichen Namens liegt bekanntlich nicht bei Greifswald, sondern in Bayern. Nach Greifswald kam der Name durch die Forschungsanlage, deren Fertigstellung das IPP feiert: Wendelstein 7-X. Vor 34 Jahren, 1980, haben die Planungen für die Anlage begonnen, die die Kernfusionsforschung einen Schritt näher zum Bau eines Kraftwerks bringen soll. Seit 1994 entstand die Anlage zusammen mit einem neuen Teilinstitut des IPP, dessen Hauptsitz in Garching liegt, näher am Wendelstein.

 

In Betrieb gehen soll Wendelstein 7-X im Frühjahr oder Sommer 2015, nach etwa einem weiteren Jahr Betriebsvorbereitung. Dann soll sie beweisen, ob die sogenannte Stellaratortechnik für ein künftiges Kernfusions-Kraftwerk taugt.

Kernfusion ist die Energiequelle der Sonne. In ihrem Inneren verschmelzen unter hohen Drücken und Temperaturen leichte Atomkerne, unter anderem die Wasserstoff-Varianten (Isotope) Deuterium und Tritium. Auf der Erde sind 100 Millionen Grad und mehr nötig, bis die elektrisch geladenen Kerne dieser Atome fusionieren und dabei Energie abgeben. Bei so hohen Temperaturen ist der Brennstoff kein Gas mehr, sondern ein Plasma, ein Gemisch aus elektrisch geladenen Teilchen. Kein Behälter aus festem Material könnte sie festhalten. Deshalb sperren die Forscher sie in ein reifenförmiges Gefäß (Torus), das von starken Magnetfeldern umgeben ist, Tokamak genannt. Die Felder zwingen die Plasmateilchen auf Kreisbahnen im Torus, halten sie von den Wänden fern und erzeugen den für die Fusion nötigen Druck.

Das Plasmagefäß sieht aus, als sei ein LKW drübergefahren

Der Einschluss des Plasmas für ausreichend lange Zeit ist eines der Probleme der Fusionsforschung. Bisher sind Plasmapulse von wenigen Millisekunden bis zu einer halben Minute gelungen. Dann muss die in Form von Hitze erzeugte Energie erst einmal abtransportiert werden, bevor der nächste Plasmapuls beginnen kann.

Eine Kernfusionsanlage nach dem Tokamak-Prinzip ist zum Beispiel der Internationale Thermonukleare Reaktor (Iter), der zur Zeit im südfranzösischen Cadarache entsteht. Er soll dereinst Plasmapulse bis zehn Minuten möglich machen und so – auf experimentellem Niveau – bereits Energie erzeugen.

Wendelstein 7-X wird, was die Pulsdauer angeht, besser sein: 30 Minuten erwarten IPP-Forscher wie Robert Wolf. „Mehr wäre möglich, aber dann bräuchten wir hier kleine Kühltürme“, sagt Wolf. Denn schließlich werden zehn und mehr Megawatt in die Anlage gesteckt, um das Plasma aufrecht zu erhalten – Energie, die ein Kraftwerk natürlich selbst erzeugen würde. Wendelstein besteht im Kern zwar auch aus einem Torus und starken Magneten, er ist aber kein Tokamak, sondern ein Stellarator. Dessen Konzept entstand nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA und hieß dort Matterhorn. Logisch, dass der Nachfolger in Bayern Wendelstein heißen musste. Der Name passt aber auch, weil die Magnetspulen, die das Plasma festhalten, bei einem Stellarator aussehen, als wäre ein LKW drübergefahren. Sie biegen und krümmen sich, und das Plasmagefäß hat die Form eines jämmerlich zerdrückten und mehrfach verdrillten Autoreifens.

Bisher haben die Forscher eine Milliarde Euro investiert

Diese Form ist das Ergebnis jahrzehntelanger Berechnungen, Experimente und Simulationen. Mit dieser Form des Magnetfelds hoffen die Forscher, das Plasma verlässlicher festhalten zu können. Die Vorläufer-Stellaratoren Wendelstein 7-A und 7-AS haben die Erwartung genährt, dass diese Rechnung aufgehen könnte. Der 7-X soll dies belegen – ohne Kernfusion, ohne das radioaktive Tritium, nur mit einem Wasserstoff/Deuterium-Plasma.

Bis zum Frühjahr oder Sommer 2015 werden nun, so Wolf, die Vakuumkammer ausgepumpt, die supraleitenden Magnetspulen gekühlt und das Magnetfeld hochgefahren und getestet. Dann erst wird der 7-X sein erstes Plasma erzeugen. Die Betriebszeit der Anlage, in die zusammen mit dem Institutsaufbau seit 1995 eine Milliarde Euro investiert worden ist, kann Wolf nur grob schätzen. 15 Jahre hält er für möglich. „Es kommt darauf an, wie lange wir interessante Wissenschaft damit machen können.“ 2030, wenn, wie er hofft, gute Ergebnisse vorliegen und außerdem Iter in Betrieb ist – „dann weiß man mehr“.