Physiker haben in den USA mit Hochleistungs-Lasern einen Rekord in der Energieausbeute erreicht. Doch ihr Institut hat auch andere Aufgaben, als neue Energiequellen zu erforschen.

Stuttgart - Wenn man schwere Atomkerne spaltet, wie etwa den des sonst technisch nicht sehr nützlichen Urans, wird Energie frei. Das war einmal die Faszination der Kernenergie. Leider entstehen bei dieser Spaltung viele verschiedene und zum Teil langlebige Spaltprodukte mit all ihren Risiken für lebende und künftige Generationen. Die Sonne dagegen holt sich die Kernenergie ganz anders: In ihrem Inneren verschmelzen die Kerne leichter Atome wie des Wasserstoffs. Auch dabei wird Energie frei. Dazu sind aber enormer Druck und extreme Temperatur nötig. Bevor Energie gewonnen werden kann, muss also viel Energie aufgewendet werden. Das funktioniert im Inneren der Sonne. Es funktioniert aber nicht auf der Erde – außer in der Wasserstoffbombe.

 

Bisher jedenfalls. In der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ präsentieren nun US-amerikanische Forscher einen „wichtigen Schritt“ zur Kernfusion. Das ist richtig: Einen Meilenstein haben Omar Hurricane und Kollegen von der US National Ignition Facility (NIF) in Kalifornien erreicht. Doch dieser Meilenstein steht auf einem Seitenweg, von dem keineswegs klar ist, ob er je zu einem Reaktor führen wird, der die Energie der Kernverschmelzung nutzen wird.

Sie hätten „eine Energieausbeute von mehr als Eins“ erreicht, schreiben die Forscher. Das bedeutet, dass die Energie, die sie aus einem brennstoffhaltigen Kügelchen mit nur zwei Millimeter Durchmesser gewonnen haben, größer war als die Energie, die das Kügelchen aufgenommen hatte, bevor es explodierte. Doch diese Energiebilanz bezieht sich nur auf den Energiefluss in das Brennstoffkügelchen selbst und aus ihm heraus. Die Effizienz, mit der die Laserenergie erzeugt wird, bleibt außen vor.

Der kommerzielle Fusionsreaktor liegt weit in der Zukunft

Die NIF hat das millimeterkleine Kügelchen mit 192 der weltweit leistungsfähigsten Laser beschossen – mit allen zugleich. Als Spitzenleistung dieser Laserbatterie gibt die NIF 500 Billionen Watt an. Das sei, so das Institut, tausendmal mehr, als die USA in jedem Moment an Energie nutzen. Eigens für diese Laseranlage wurde das NIF für 3,5 Milliarden Dollar vom staatlichen Lawrence Livermore Laboratory gebaut. Inbetriebnahme war 2009.

Kernfusionsforscher, wie sie zum Beispiel am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München arbeiten oder im französischen Cadarache den Internationalen Thermonuklearen Reaktor (ITER) bauen, versuchen das Sonnenfeuer zu zünden, indem sie den Brennstoff in einem Tokamak, einem reifenförmigen Behälter, auf 100 Millionen Grad erhitzen und mit Magnetfeldern festhalten. Als Brennstoff werden zwei Wasserstoff-Arten (Isotope) verwendet, Deuterium und Tritium. Aus den Gasen wird bei den hohen Temperaturen ein Plasma, ein Gemenge von geladenen atomaren Teilchen. Verschmelzen Atomkerne der beiden Isotope, so werden Neutronen mit hoher Energie frei. Diese Energie soll genutzt werden. Seit mehr als fünfzig Jahren sind die Kosten dieser Forschung hoch und die ersehnten Reaktoren weit entfernt. Frühestens der Nachfolger des ITER soll Energie liefern.

Parallel zur sogenannten thermonuklearen Fusion gibt es das Konzept der Trägheitsfusion. Die Idee ist, den tiefgefrorenen Brennstoff in kleinen Kügelchen von allen Seiten mit gewaltiger Energie so schlagartig zu erhitzen, dass die Fusion geschieht, bevor die Trümmer des Teilchens auseinanderfliegen können. Daher der Name Trägheitsfusion. Zum Erhitzen können Laser- oder, theoretisch, Materiestrahlen verwendet werden. Gelänge die Zündung, so die Vorstellung, dann sollten in einem Reaktor mehrere Kügelchen pro Sekunde in schneller Folge beschossen werden. Es entstünde Energie in schneller Pulsfolge.

In der Praxis ist die Realisierung eines solchen Reaktors noch ferner als der thermonukleare Reaktor. Doch zur Aufgabe der NIF passt das aktuelle Experiment: die NIF ist Teil eines Programms der US-Regierung zur Wartung und Prüfung der Atomwaffenarsenale. Zu diesem Programm gehören auch Forschungen an der Zündung von Wasserstoffbomben. „NIF-Experimente sind eine essenzielle Komponente“, erklärt die NIF auf ihrer Homepage. Denn einzig über die NIF könnten „Wissenschaftler Zugang bekommen zu thermonuklearem Brennen und dessen Erforschung“.