Beim familientauglichen Kesselfestival auf dem Cannstatter Wasen haben die Orsons und AnnenMayKantereit für sommerliche Hochstimmung gesorgt.

Ja, einen Ventilator hätte man gerne am Samstagabend beim Stuttgarter Kessel- Festival auf dem Wasen. Oder am besten gleich hundert, tausend. Die Orsons haben ein Lied, das „Ventilator“ heißt, und sie bekommen tausend und mehr Ventilatoren vor ihrer Bühne, als sie es singen: Fast alle, die da stehen, in der Sonne, lassen sich nicht lange bitten, legen ein Kleidungsstück ab und wirbeln es über ihren Köpfen durch die Luft, rufen dazu einstimmig: „Ventilator!“

 

Das Festival ist am ersten Tag ausverkauft – von 30 000 Besucherinnen und Besuchern die Rede. Das Gelände hat sich verwandelt in eine Zeltstadt mit vielen Attraktionen, das Kesselfestival ist ein Familienfestival: Eltern tragen ihr Kleinkind vor der Brust, während sie zur Musik von Stuttgarts lustigstem Hip-Hop-Export tanzen. Maeckes, Bartes, Tua und Kaas – die Orsons – treten in weißem T-Shirt, blumigem Anzug oder plüschigem Kostüm auf, sie rappen mit hohen Stimmen auf der Hauptbühne des Festivals, singen von „Feuer und Öl“ oder „Sowas von egal“ und haben einen neuen Song mitgebracht: „Wir versuchen den einfach mal. Wenn hier jemand schon mitsingen kann, ist es perfekt. Ansonsten: Hört euch einfach ein schönes Lied an und genießt.“

Ein musikalisches Kontrastprogramm

Eine Stunde später dann auf derselben Bühne das Kontrastprogramm: AnnenMayKantereit aus Köln sind das Trio mit den heruntergekommenen, wilden Liedern voller Kummer, Frechheit und Trotz. „Die Vögel scheißen vom Himmel / und ich schau dabei zu / und ich bin hier alleine / Marie, wo bist du?“, wird Henning May singen, mit knarrender Stimme, tief und brüchig. An seiner Seite musizieren Christopher Annen, Gitarre und Mundharmonika, und Severin Kantereit, Schlagzeug und Cajon. May selbst spielt manchmal auch die Ukulele. AnnenMayKantereit beginnen ihr Konzert ohne große Umschweife mit einem schnellen Beat, Henning May hüpft im blauen T-Shirt vor dem Mikrofon herum und freut sich sehr – zum ersten Mal, sagt er, treten AnnenMayKantereit bei einem Festival als Headliner auf. Zum Dank an Stuttgart gibt es ein paar fast neue Lieder und eine Überraschung: Auf die Bühne kommt eine vierköpfige Bläsergruppe, die auch mit Streichinstrumenten umgehen kann, sie gibt der Musik einen letzten, ganz eigenwilligen Schliff.

AnnenMayKantereit haben eine Überraschung dabei

AnnenMayKantereit sind gut gelaunte Raubeine mit einem Hang zur Melancholie; ihre Musik sticht hervor, noch immer, als handgemachter Rock ’n’ Roll und Polka-Folk, der manchmal ein bisschen nach Tom Waits klingt. Songs wie „Oft gefragt“ oder „Pocahontas“ werden auf dem Wasen gefeiert; die Stimmen, die da mitsingen, überschlagen sich, das Festival tanzt in den letzten Sonnenstrahlen, und Henning May singt schließlich auch vom allerbesten Erdbeerkuchen: „Ich wünsch mir, dass ihr dieses Lied einmal eurer Oma vorspielt!“