Der Filmstar Kiefer Sutherland hat im Wizemann als Sänger und Gitarrist Country-Rock gespielt – und 800 Besucher durch seine bloße Anwesenheit fasziniert.

Stuttgart - Kiefer Sutherland scheint ganz in seinem Element zu sein, während er am Mittwoch im Wizemann auf der Konzertbühne elektrische Gitarren bearbeitet, Akustische schwingt und mit raspeliger Stimme Country-Melodien ins Mikrofon raunzt. Aber Moment mal, wer? Ja, er ist es, der Filmstar Kiefer Sutherland persönlich. Der sich den Strapazen einer Konzerttournee nicht aussetzen müsste. Und es doch tut. Es muss ihm also wirklich am Herzen liegen. Und das sehr heterogene Publikum – Hutträger, Paare, Gruppen von Damen – liegt ihm zu Füßen.

 

Sutherlands Musik ist von sagenhafter Schlichtheit. Seine Songs decken alle Facetten dessen ab, was Country-Rock und Singer/Songwriter-Pop hergeben: Uptempo-Ohrwürmer und getragene Hymnen über das Leben auf Tour („Open Road“, bei dem andernorts schon mal Helene Fischer mitsang), den letzten Brief eines Mannes aus der Todeszelle („Shirley Jean“), reife Paare, die es durch alle Krisen geschafft haben („Faded Pair of Blue Jeans“). Ab und zu spielt Sutherland alleine Gitarre, da hört man, dass er es wirklich kann, meistens aber verlässt er sich auf eine sehr solide aufspielende Band mit zwei Gitarren – auch Pedal Steel –, Keyboards, Bass, Schlagzeug, Mandoline, Akkordeon. Was Kiefer Sutherland noch brauchen könnte, wären zwei stimmstarke Background-Sängerinnen, die ihn bei den Refrains unterstützen – sein Bariton geht ab und zu gerade an den Stellen unter, an denen er besonders präsent sein müsste.

Ein Gegenentwurf zu Donald Trump

Im weißen Anzug gibt Kiefer Sutherland den Star zum Anfassen, was natürlich auch eine Rolle ist. Sicher erzählt er jeden Abend die selben Anekdoten, die sich zu einer typischen amerikanischen Erzählung reihen, zu der Vorbilder wie Johnny Cash und Willie Nelson gehören. Es falle ihm schwer, Lovesongs zu schreiben, sagt Sutherland, aber beim Gucken des Films „Bridget Jones“ sei ihm die Erleuchtung gekommen. In den 90ern sei er eine zeitlang im Rodeo-Betrieb unterwegs gewesen. Der Song „Reckless & me“ handle von ihm und seinem Pferd namens Reckless, „aber irgendwann wusste ich nicht mehr, ob ich über das Pferd schreibe oder über mich selbst“. Solche kleinen Gags lassen Sutherland wirken wie den Mann von nebenan – sofern man sich über den Atlantik denkt.

Der Sohn des Schauspielers Donald Sutherland, dem er offensichtlich ähnelt, ist zwar gebürtiger Kanadier, gibt sich aber durch und durch als US-Amerikaner. Im Filmgeschäft gehört er zu den Cowboys, der Spätwestern „Young Guns“ (1988) bescherte ihm erste größere Aufmerksamkeit. Als kaum zu zähmender Agent Jack Bauer in „24“ (2001–2010) wurde er zu einem wichtigen Pionier des neuen Serien-Zeitalters. Zuletzt, als US-Präsident Tom Kirkman in „Designated Survivor“ (seit 2016) wirkte er eher wie ein „poor lonesome Cowboy“, der den Kragen seines Mantels hochschlagen muss in der frostigen Atmosphäre Washingtons – und als uneitler, zugewandter, Dialog-orientierter Politiker wirkt wie der radikale Gegenentwurf zum aktuellen Amtsinhaber.

Wenn er spricht, meint man Kirkman zu hören. Allein dafür könnte man ihn feiern. Die 800 Stuttgarter im Wizemann tun es ausgiebig – und sei es nur, weil man Stars nicht so oft leibhaftig aus der Nähe zu Gesicht bekommt. Am Ende dreht Sutherland mit seiner Band noch einmal richtig auf, greift in wilderes Rock-Territorium aus. Und er spielt tatsächlich Bob Dylans „Knocking on Heaven’s Door“, ganz in seinem Element – dem anderen.