Die Suche nach Julen geht weiter. Er soll am Sonntag in ein 100 Meter tiefes Bohrloch gefallen sein. „Mein Sohn ist hier, das soll niemand in Zweifel ziehen“, sagt der Vater.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Málaga - Um kurz nach ein Uhr mittags kommt die Nachricht: „Julen in 73 Meter Tiefe gefunden.“ Gut eine Stunde lang lässt die Netzzeitung El Español die Information stehen, nach einigen Minuten beschweren sich die ersten Leser, im Fernsehen und Radio hören sie Dementi, doch El Español bleibt eisern – bis 14.20 Uhr: Da spricht die Zeitung nur noch von „Gewebe“ des kleinen Julen, das in der Tiefe des Bohrlochs in der Nähe von Málaga gefunden worden sei, in das er am Sonntag gestürzt sein soll.

 

Die Tage der Ungewissheit zerren an den Nerven aller Beteiligten in Spanien, offenbar auch an denen der Reporter, die vor Ort über den Fall berichten. Die Geschichte steckt voller Merkwürdigkeiten, alle sehnen sich nach Gewissheit. Dass Julen endlich gefunden werde, lebend. Oder im schlimmeren Fall tot. Oder vielleicht gar nicht: dass man zumindest weiß, ob er überhaupt in dieses Loch gefallen ist.

Der Vater ringt nach den rechten Worten und findet sie

„Mein Sohn ist hier, das soll niemand in Zweifel ziehen“, sagt Julens 29-jähriger Vater José Roselló. Er spricht viel mit den Medien, er ringt nach den richtigen Worten und findet sie dann. „Wo soll ich sein? Hier, wo ich bin. Und immer noch viel zu weit weg von meinem Sohn.“

Er ist auf dem Grundstück geblieben, auf dem die Familie am Sonntag eine Paella zubereiten wollte. Ein Grundstück in der Natur, in der Gemeinde Totalán, nicht weit weg von Málaga. In einem Moment der Unaufmerksamkeit der Eltern sei der kleine Julen in das Bohrloch getappt und in die Tiefe gestürzt. Das Loch hat nur einen Durchmesser von 23 Zentimetern.

Der Vater weiß, dass viele an seiner Geschichte zweifeln

Der Vater weiß, dass viele an seiner Geschichte zweifeln. Dass sie nicht glauben mögen, dass ein zweieinhalbjähriges Kind in Winterkleidung in ein solch schmales Loch fallen kann. „Ich bin überzeugt davon, dass der Junge nicht in dem Bohrloch ist“, sagt Luis Avial, ein Fachmann für Bodenradar, im Gespräch mit der Tageszeitung La Razón. „Und wenn er in das Loch gefallen wäre, dann steckte er irgendwo in der Nähe der Oberfläche fest.“ Das Loch, gebohrt auf der Suche nach Wasser, führt nicht pfeilgerade in die Tiefe, aus den Wänden ragen Wurzeln und Steine.

Wie soll der Junge dort heruntergefallen sein? „Ich wünschte, es wäre unmöglich, dass er in dem Bohrloch ist, wie ich gehört habe“, sagt der Vater im Interview mit der Lokalzeitung Diario Sur. „Ich wünschte, ich wäre da unten begraben und er wäre hier oben bei seiner Mutter.“

Den Eltern ist vor zwei Jahren ein Sohn gestorben

Den Eltern ist vor zwei Jahren ein Sohn gestorben, er war drei Jahre alt und brach bei einem Spaziergang am Meer plötzlich zusammen, ein Herzinfarkt. So viel Drama weckt das Mitgefühl der Spanier, die in dieser Geschichte mitfiebern, und es weckt zugleich böse Vermutungen über die Eltern. „Solche Sachen dürfen gar nicht angedeutet werden“, sagt der Vater, „das ist sehr hart.“ Alle Nerven liegen blank. Die Ungewissheit muss ein Ende haben. Am Mittwochvormittag sagt ein Behördensprecher, dass in dem Loch Haar des Jungen gefunden worden sei, aber er sagt nicht, auf welcher Höhe, er sagt auch nichts von weiteren Spuren, Blut zum Beispiel. So ist das Haar nur ein weiteres Rätsel.

Die Helfer, mehr als 100, arbeiten rund um die Uhr. Zwei Stollen werden gegraben, einer parallel zum Bohrloch, ein anderer seitlich von einer Hangseite des Grundstücks ausgehend. Die Arbeiten daran hätten viel zu spät begonnen, sagen Kritiker, die ihre Namen nicht nennen. An diesem Donnerstag, vielleicht am Freitag will man das untere, verstopfte Ende des Bohrlochs erreicht haben. Damit es endlich Gewissheit über Julen gibt.