Um einem Erdbeben standzuhalten, muss ein Gebäude entweder mitschwingen oder fest genug gebaut sein. Balthasar Novák von der Uni Stuttgart erklärt, wie man sicherer bauen kann.

Stuttgart - Es ist eine der größten Naturkatastrophen des 21. Jahrhunderts. Am 26. Dezember 2004 löste ein gewaltiges Erdbeben im Indischen Ozean eine Kaskade von Flutwellen aus. Mehr als 200 000 Menschen kamen dabei ums Leben. Balthasar Novák von der Uni Stuttgart war in diesen Weihnachtstagen auf einer Forschungsreise vor Ort. Nur wenige Stunden bevor die riesigen Wellen über die Strände der indonesischen Insel Sumatra rasten und auch vor der Küste von Südostindien nicht haltmachten, war Novák zu seiner Forschungseinrichtung in Chennai zurück gereist: „10 000 Menschen sind an dem Strand gestorben, an dem ich am Abend zuvor noch mit den Menschen Weihnachten gefeiert habe“, sagt er. Mit dieser Naturkatastrophe begann die Erdbebenforschung für Novák vom Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Uni Stuttgart. Zusammen mit seinem Team erforscht er, wie man erdbebensicher bauen kann. Das erklärt er auch den Nachwuchsstudenten bei der nächsten Kinder-Uni mit dem Thema „Wenn die Erde wackelt – wie man sichere Häuser baut“.

 

„Leichte bis mittlere Beben treten etwa 7000-mal im Jahr auf. Niemand kann heute vorhersagen, wann und wo ein starkes Erdbeben auftreten wird. Die einzige Möglichkeit, sich zu schützen, ist Vorsorge. Bei einem Erdbeben sterben die meisten Menschen durch einstürzende Häuser und Bauwerke“, erklärt der 55-jährige Ingenieur. Daher sei es wichtig, Häuser möglichst stabil zu bauen. Doch: „Ein absolut erdbebensicheres Haus gibt es nicht. Das wäre dann so etwas wie ein Bunker.“

Schwingungsdämpfer federn die Energie ab

Um einigermaßen erdbebensicher zu bauen, braucht es das nötige Wissen und natürlich auch Geld. In den Städten wohlhabender Länder, wie etwa in San Francisco oder Tokio, stellt man den Aufwand, um Gebäude widerstandsfähig zu machen, nicht infrage. Betonwände werden mit Stahlmatten verstärkt, manche Häuser stehen auf raffiniert konstruierten Schockabsorbern. „Man kann sich derartige Schwingungsdämpfer wie einen riesigen Wattebausch vorstellen, den man mit der Faust mit voller Wucht trifft. Die Watte verformt sich, die Energie des Schlags wird in Verformungsenergie umgewandelt – und so funktioniert dies auch mit den Erdbebenwellen“, sagt Novák. Die Schwingungsdämpfer, die es aus unterschiedlichem Material gibt, nehmen den größten Teil der Bewegungsenergie der Erdstöße auf, wandeln sie in Verformungsenergie um und übertragen sie so nicht weiter an das Gebäude. In höheren Gebäude können Schwingungsdämpfer auch in Zwischengeschossen eingesetzt werden, um im Fall von Erdbeben die Bewegungsenergie aufzunehmen.

Mit dem entsprechendem Wissen lassen sich somit Hochhäuser und Brücken in gefährdeten Gebieten bauen: Schaut man sich beispielsweise in erdbebengefährdeten Gebieten in Japan um, so ist zu erkennen, dass viele Bauten mit Stützen versehen sind, die um ein Mehrfaches dicker sind als etwa in Europa. Doch es hat sich gezeigt, dass auch dies nicht vor der immensen Kraft eines Erdbebens schützen kann. „Bei dem verheerenden Erdbeben von Kobe hat sich gezeigt, dass auch eine massivere Bauweise mit Überlegung und Bedacht entworfen und berechnet werden muss. Trotz scheinbar massiver Stützen ist dort etwa die Hanshin-Hochstraßenbrücke als Ganzes seitlich einfach umgekippt“, erklärt Novák. Die große Masse des Spannbetonüberbaus auf den Pfeilern habe den Kollaps unterstützt. Man müsse sich das so vorstellen, als wären der Fahrbahn die schmalen Beine weggezogen worden.

Baustahl und Stahlbeton sind am stabilsten

Doch meist bebt die Erde in Gebieten, die sich in Schwellenländern befinden. Dabei trifft das Unglück oft Menschen, die sich ihr Haus selbst gebaut haben. Ob ein solches Haus den Kräften bei einem Beben standhalte, hänge sehr vom Material ab. Mit Baustahl und Stahlbeton errichtete Häuser seien am stabilsten, gefolgt von Holzhäusern. Holz könne Erdbebenwellen ausgleichen, weil es elastisch sei und nicht breche wie etwa eine Steinmauer: Dort kommt es jedoch auf die richtigen Verbindungen an, um die Kräfte von einem Bauteil zum nächsten übertragen zu können. Mauerwerk könne zwar große vertikale Lasten tragen, nicht aber die Querbewegungen bei einem Erdbeben. Von solchen Mauerwerksbauten gehe das größte Risiko für Menschen in seismisch aktiven Zonen aus: „Historische Bauten sind daher besonders gefährdet.“ Das zeigt Novák auch den Nachwuchsstudenten: Aus quaderförmigen Nusswaffeln, zusammengehalten mit flüssiger Schokoladencreme und Zahnstochern gebaute Häuschen halten das Beben auf dem Schütteltisch nicht lange aus.

In Deutschland muss man nun allerdings nicht um die historischen Altstädte und ihr schönes altes Mauerwerk fürchten. Denn die Gefahr eines Erdbebens ist hierzulande gering – auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder einzelne Beben etwa auf der Schwäbischen Alb gab. Beim Bauen in der Zukunft müsse vielmehr der Klimawandel beachtet werden, so Novák. Auch in diesem Gebiet forschte er. Für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts sind heftigere Winde und stärkere Regen prognostiziert. „Hier haben wir in Europa größtenteils vorgesorgt. Aber es gilt trotzdem, mit den neuesten Erkenntnissen der Klimaforscher die für die Berechnungen anzusetzenden Windstärken kontinuierlich zu überprüfen und anzupassen“, sagt Novák. Es könne sein, dass man dickere Wände und stärkere Konstruktionen benötige.

So kann man sich zur Kinder-Uni anmelden

„Wenn die Erde wackelt – wie baut man sichere Häuser?“ ist der Titel der Vorlesung der nächsten Kinder-Uni. Am Freitag, dem 23. November 2018, um 16 Uhr im Hörsaal 47.01 auf dem Vaihinger Campus (Pfaffenwaldring 47) erklärt der Ingenieur Balthasar Novák vom Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Uni Stuttgart, warum die Erde immer wieder wackelt. Manchmal geschieht dies völlig unbemerkt, manchmal stürzen Gebäude ein, manchmal reißt gar die Erde auf. Da man Erdbeben nicht verhindern und auch nicht vorhersagen kann, ist es wichtig, Häuser erdbebensicher zu bauen. Doch welche Baustoffe eignen sich dafür und welche gar nicht? Und wie könnte man verschiedene Baumaterialien beim Bauen so kombinieren, dass ein Erdbeben keinen Schaden anrichten kann? Balthasar Novák wird auf diese Fragen Antworten geben.

Du kannst dich anmelden unter www.stuttgarter-zeitung.de/kinderuni. Pro Anmeldung können zwei Plätze gebucht werden. Wer einen Platz erhalten hat, bekommt per E-Mail eine Bestätigung und einen Link, unter dem die Eintrittskarte heruntergeladen werden kann