Fragt man die Eltern, sollte Kinderfernsehen lehrreich sein und Wissen vermitteln. Kinder dagegen wollen vor allem Spaß haben – und so sieht das Angebot der Kindersender auch aus. Manchmal muss man lange nach den Perlen suchen.

Stuttgart - Fragt man die Eltern, sollte Kinderfernsehen lehrreich sein und Wissen vermitteln. Kinder dagegen wollen vor allem Spaß haben – und so sieht das Angebot der Kindersender auch aus. Zu bestimmten Uhrzeiten kann man sie allein anhand ihrer Logos auseinanderhalten. Alle zeigen Zeichentrick. Die Serien sind zudem auf ähnliche Weise synchronisiert. Der Tonfall ist leicht kreischig, die Sprecher müssen ständig Geräusche absondern, die Dialoge klingen nie nach echtem Leben, sondern immer künstlich. Grafisch mögen sich die Produktionen voneinander unterscheiden, aber die digitale Machart hat zur Folge, dass die Bilder leb- und lieblos wirken.

 

Der Erfolg gibt den Sendern allerdings Recht. Jahrelang haben Super RTL und der öffentlich-rechtliche Kinderkanal (Kika) den Markt mehr oder weniger unter sich aufgeteilt; neue Sender konnten ihre Positionen nie gefährden. Selbst das weltweit erfolgreiche Nickelodeon stellte bei seiner Rückkehr auf den deutschen Markt im Jahr 2005 keine ernsthafte Bedrohung dar, von Kleinstsendern wie RiC TV ganz zu schweigen.

Mitte Januar aber hat mit Disney einer der größten Konzerne der Unterhaltungsindustrie in die Geschicke des deutschen Kinderfernsehens eingegriffen. Angesichts des ausgezeichneten Rufs, den das Unternehmen dank der Comics mit Micky Maus und Donald Duck sowie Kinoklassikern wie „Das Dschungelbuch“ oder „König der Löwen“ gerade auch bei Eltern genießt, war zu erwarten, dass sich der Disney Channel im Nu etablieren würde; und das nicht zuletzt auf Kosten von Super RTL. Inhaltlich aber stellt das Programm nur bedingt eine Bereicherung für den deutschen Markt dar. Abgesehen von den Serien mit den typischen Disney-Figuren ist Disney Channel bloß ein weiterer Sender mit Zeichentrickserien und Sitcoms.

So rasch vergessen, wie konsumiert

Ein unverwechselbares Profil und die daraus resultierende Identifikation aber erarbeitet man sich in erster Linie durch Eigenproduktionen, das ist im Kinderfernsehen nicht anders als im Abendprogramm. Im Bereich der kommerziellen Kinderprogramme gibt es mit „Spongebob“ nur einen modernen Klassiker. Alle anderen Angebote sind ebenso rasch wieder vergessen, wie sie konsumiert wurden.

Produktionen von ästhetischer, sozialer und emotionaler Qualität haben kommerzielle Sender nicht zu bieten, Eigenproduktionen findet man bei Super RTL nur am Vorabend. Das Programm des Kika besteht dagegen zu zwei Dritteln aus Sendungen, die von den ARD-Sendern und vom ZDF zugeliefert oder vom Kika selbst in Auftrag gegeben werden. Viele Reihen und Serien sind schon seit Jahren fester Bestandteil des Programms, etwa die Kinderkrimis „Die Pfefferkörner“ (NDR, seit 1999) oder der „krimi.de“ (seit 2005). Der regelmäßig überraschend gute Mini-„Tatort“ befasst sich oft mit brisanten Themen wie Cybermobbing, Todessehnsucht, Missbrauch oder Zivilcourage. Der Dauerbrenner „Schloss Einstein“ (MDR) startete 1998 sogar als weltweit erste Kinder-„Weekly“.

Magazin mit Bezug zum Kinderalltag

Die große Stärke des Kika aber sind traditionell die nicht-fiktionalen Sendungen, allen voran die einzigen täglichen Nachrichten für Kinder, „Logo!“ (19.50 Uhr), ebenso eine ZDF-Zulieferung wie „Pur+“ (sonntags um 19.25 Uhr). Das Magazin setzt sich regelmäßig mit Themen auseinander, die nicht bloß Bezug zum Kinderalltag, sondern auch erhebliche Relevanz haben; das reicht von Atomkraft über Blindheit bis zu Mobbing. Nicht minder vielfältig sind die Alltags-Checks von „Checker Can“ (BR, sonntags um 9.00 Uhr), wenn sich Can Mansuroglu als Willi-Weitzel-Nachfolger („Willi wills wissen“) mit Themen wie Feuerwehr, Rathaus oder Behinderung befasst. Sehenswert ist auch die dokumentarische Reihe „Schau in meine Welt!“ (sonntags um 13.30 Uhr), die immer wieder bemerkenswerte Beiträge zu bieten hat. Die Filme sollen Werte vermitteln und Horizonte öffnen, sie geben Kindern buchstäblich eine Stimme, weil die Protagonisten selbst ihre Geschichte erzählen. Viele Porträts stammen aus aller Welt; das Spektrum reicht vom palästinensischen Fischer bis zum mongolischen Nomaden. Ganz ähnlich konzipiert ist „Stark!“ Auch hier erzählen Kinder aus aller Welt besondere Geschichten über Probleme, außergewöhnliche Ereignisse oder ausgefallene Wünsche.

Deutlich durchwachsener ist die Qualität des Wochentagsendeplatzes um 15.00 Uhr. Unter dem Sammeltitel „Daily Doku“ zeigt der Kinderkanal Reportagereihen, die thematisch oft interessant sind, aber aus erwachsener Sicht ganz erheblich an Reiz verlieren, weil sie als Doku-Soaps gestaltet sind. Ein spezieller Fall ist auch „Kika live“, die allabendliche Wundertüte (montags bis freitags um 20.00 Uhr). Das Spektrum der Sendung reicht von Live-Konzerten bis zu sportlichen Wettkämpfen. Die Umsetzung ist allerdings dank der zappeligen Bildgestaltung pures ADS-Fernsehen.

Manchmal penetrant gut gelaunte Moderatoren

Generell unterscheidet sich das Kinderfernsehen, einst ein Tummelplatz der Experimentierfreude, längst nicht mehr von den Hauptprogrammen; neue Wege beschreiten die Macher nur noch selten. Für kommerzielle Sender gilt das naturgemäß erst recht. Immerhin sind zumindest die am Vorabend ausgestrahlten Eigenproduktionen von Super RTL mehr als bloß reines Zeitvertreibsfernsehen: Reihen wie „Wow – Die Entdeckerzone“, „Vollgas zurück“ oder „Katrin und die Welt der Tiere“ wollen Wissen vermitteln. „Wow“ zum Beispiel ist Physik und Chemie mit Mitteln, von denen Schüler und Lehrer nur träumen können; hier lernen die jungen Zuschauer auf spielerische und anschauliche Art, wie zum Beispiel Naturgesetze funktionieren. Die mitunter penetrant gut gelaunten Moderatoren stehen allerdings alle etwas unter Strom; irgendwer hat offenbar mal festgelegt, dass die Präsentation solcher Sendungen ähnlich „dynamisch“ erfolgen muss wie die Gestaltung der meisten Zeichentrickserien.