Stuttgart möchte das Kindeswohl künftig systematisch berücksichtigen und holt sich für die Umsetzung Hilfe bei Unicef und dem Kinderhilfswerk. Einigen Zielen hat der Gemeinderat bereits den Weg geebnet. Am Ende winkt ein werbewirksames Siegel.

Stuttgart - Wer denkt bei Entscheidungen, die in Amtsstuben fallen, schon an die Belange der Kinder? Künftig soll es genau so sein. Dafür holt sich Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) Hilfe und Kontrolle von außen. Am Donnerstag unterzeichnete er eine Vereinbarung, wonach sich die Stadt Stuttgart um das Siegel Kinderfreundliche Kommune bewirbt.

 

Damit verpflichtet sich die Stadt zur Zusammenarbeit mit Unicef und dem Deutschen Kinderhilfswerk, den beiden Organisationen, die das Siegel vergeben und dafür den Verein Kinderfreundliche Kommune gegründet haben. „Ich will alles dafür tun, dass Kinder in Stuttgart gut leben können und dass ihre Rechte gewahrt werden“, sagte der OB bei der Vertragsunterzeichnung im Festsaal des Rathauses. Der Wille, das Prädikat am Ende auch zu bekommen, drücke sich unter anderem in der Konzeption für ein kinderfreundliches Stuttgart aus. „Wir wollen dafür ein System schaffen, wollen die Lebensqualität der Kinder systematisch verbessern, nicht nur an Weihnachten und sonntags“, so Kuhn. Man wolle auch die soziale Frage „mitbedenken“.

Erste Erfolge

Das Siegel kommt einer Selbstverpflichtung gleich, die gesteckten Ziele innerhalb von vier Jahren zu erreichen. Mit der Konzeption Kinderfreundliches Stuttgart 2015 bis 2020 sieht Kuhn die Stadt auf einem guten Weg – und in Sachen Kinderbeteiligung ganz vorn. Die Konzeption ist im Juni 2015 vorgestellt worden, ihre Basis ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 600 Kindern zwischen sechs und 13 Jahren, ergänzt durch eine Befragung von Eltern und um die Einschätzung von Experten aus der Stadtverwaltung. Sauberkeit, Sicherheit, Natur und Gesundheit war den Kindern demnach am wichtigsten. Das Ergebnis habe selbst ihn überrascht, sagt Kuhn. Das und alle weiteren damals gesetzten Ziele „werden wir voranbringen“, versprach er am Donnerstag.

Einigen Zielen hat der Gemeinderat im Rahmen der Haushaltsverabschiedung im Dezember bereits den Weg geebnet, so zum Beispiel das Budget für Kinderforen in den Bezirken, deutlich mehr Geld für Spielflächen, die Reinigung von Innenstadtspielflächen jetzt drei Mal pro Woche, mehr Personal für den städtischen Vollzugsdienst und Investitionen für mehr Grün in der Stadt.

Befragung an Schulen

Anne Lütkes, die Vorsitzende des Vereins Kinderfreundliche Kommune, hat einen guten ersten Eindruck gewonnen: „Die Stadt ist dem Thema gegenüber sehr positiv eingestellt, die Bewerbung ums Siegel ist ein logischer Schritt“, sagte sie im Rathaus. Kontakte zu Unicef hatte Stuttgart schon bei der Unicef-Städtepartnerschaft 2015/2016, bei der 613 000 Euro für Kinderhilfsprojekte gesammelt wurden.

Auf lokaler Ebene wird die Stadt nun einen Aktionsplan erstellen und verbindliche Ziele entwickeln. „Die Erfahrungen aus der Konzeption Kinderfreundliches Stuttgart 2015 bis 2020 sollen einfließen, der Aktionsplan gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet und umgesetzt werden“, kündigte Anne Lütkes an.

Der erste Schritt dazu ist bereits getan. „Wir haben den ersten Fragebogen schon vorbereitet. Er ist an Kinder im Alter von zehn bis zwölf Jahren gerichtet“, sagt Maria Haller-Kindler, die Kinderbeauftragte der Landeshauptstadt. Man sei im Gespräch mit dem Staatlichen Schulamt, an welchen Schulen man die Befragung nach den Osterferien durchführen könne. „Eventuell sind es dieselben Kinder noch mal, die schon an der ersten Runde mitgemacht haben.“

Maßnahmen und Verantwortlichkeiten benennen

Gleichzeitig schickt die Stabsstelle des OB Fragebögen an die Verwaltungsangestellten: Wie sind die Ämter in Sachen Kinderfreundlichkeit aufgestellt, wie weit ist der Kinderschutz entwickelt, wie steht es um die Ausstattung der Schulen will die Kinderbeauftragte wissen. Die beantworteten Bögen wird der Verein Kinderfreundliche Kommune auswerten und der Stadt aufzeigen, wo noch Entwicklungsbedarf besteht und in den Aktionsplan aufgenommen werden muss. Die Stadt muss anschließend konkrete Maßnahmen, Ziele, Zeitpläne und Verantwortlichkeiten benennen und vom Gemeinderat bestätigen lassen. Besteht der Plan die Prüfung durch den Verein, steht der Auszeichnung mit dem Siegel nichts mehr im Weg.

Das Verfahren „Kinderfreundliche Kommune“ läuft vier Jahre und kann anschließend verlängert werden. Angesichts dessen, was bisher vorausging, ist Anne Lütkes zuversichtlich: „Stuttgart könnte Vorreiter werden.“