Wenn der Trennungsstreit bei Eltern eskaliert, springt im Kreis Böblingen der Deutsche Kinderschutzbund ein.

Waldenbuch/Böblingen - Eine unbeschwerte Kindheit ist nicht jedem vergönnt. Reinhard Steinhübl, der Vorsitzende des Böblinger Kreisverbandes des Kinderschutzbundes, berichtet im Interview, mit welchen Problemen Kinder kämpfen und wie das Team aus sieben Hauptamtlichen und 137 Ehrenamtlichen und geringfügig Beschäftigen helfen kann.

 

Herr Steinhübl, der Kinderschutzbund im Kreis Böblingen versteht sich seit 50 Jahren als Anwalt der Kinder. In welchen Fällen werden Sie aktiv?

Da muss ich zunächst mal mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen: Fälle von Gewalt oder Kindesmissbrauch landen nicht bei uns. Hier sind die Profis vom psychosozialen Dienst, von der Polizei oder dem Jugendamt gefordert. Unser Verein hat sich im Kreis Böblingen für eine Struktur entschieden, die vor allem vier Bereiche abdeckt: die Ganztages- und Nachmittagsbetreuung an Schulen, den Betrieb des Kinder- und Familienzentrums in Maichingen, ein Babysitter-Angebot und den begleiteten Umgang. Der letzte Punkt ist die Tätigkeit, mit der wir im gesamten Landkreis unterwegs sind. Er ist auch die größte Herausforderung.

Was genau ist unter dem begleitenden Umgang zu verstehen?

Wenn sich Eltern nach einer Trennung nicht auf eine Umgangs- und Besuchsregelung für die Kinder einigen können, kommen wir ins Spiel. Es gibt eine enge Kooperation zwischen dem Jugendamt, den Richtern und unseren Mitarbeitern. Wenn klar wird, dass der Rosenkrieg eskaliert, werden unsere Sozialpädagogen eingeschaltet, um eine vernünftige Regelung zu finden.

Wie schaffen Sie es, die Emotionen aus dem Thema zu nehmen?

Die ersten Treffen zwischen den Kindern und dem Elternteil, bei dem sie nicht wohnen, finden in unseren Räumen auf neutralem Boden statt. Unsere Ehrenamtlichen begleiten die Eltern dabei. Das Wohl der Kinder hat für uns höchste Priorität. Viele Eltern denken, sie sind der Mittelpunkt der Geschichte – wir verändern den Blickwinkel. Das gelingt nicht von heute auf morgen. Unser Ziel ist es, dass die Eltern nach etwa einem halben Jahr in der Lage sind, den Umgang selbstständig zu regeln. Pro Jahr betreuen wir 76 Familien mit einem bis drei Kindern.

Wie hoch ist die Erfolgsquote?

Seit 2018 arbeiten wir mit einem neuen Konzept. Der Landkreis hat die Personalstelle für den begleiteten Umgang von 0,75 Prozent auf eine ganze Stelle aufgestockt. Wir haben aus eigenen Mitteln, die vor allem von Sponsoren, Spenden und aus Bußgeldern gespeist werden, noch einmal 0,25 Prozent draufgelegt. Dadurch ist es möglich, ständig mit den Behörden in Kontakt zu bleiben. Tauchen Schwierigkeiten auf, kann das Jugendamt nun schneller eingreifen. Die Erfolgsquote liegt seitdem bei etwa 70 Prozent, vorher waren es etwas mehr als 50 Prozent. Das ist vor allem deshalb beachtlich, weil wir sehen, dass die Fälle schwieriger werden. Wir sind häufiger mit Eltern konfrontiert, die psychisch belastet sind.

Kindheit 2020 - was hat sich im Vergleich zu ihren Anfangsjahren beim Kinderschutzbund vor 22 Jahren verändert?

Kindsein ist anders geworden durch die große Medienvielfalt, die heute Einfluss auf die Jungen und Mädchen hat. Es gibt immer weniger geschützte Räume, in denen sich Kinder ungestört entwickeln können. Man kann das Rad nicht zurückdrehen, aber man muss die Dinge im Blick behalten und gegebenenfalls eingreifen. Wenn wir die Kinder damit alleine lassen, überfordern wir sie.

Info Der Kreisvorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes Reinhard Steinhübl ist am Donnerstag, 16. Januar, auf Einladung der Freien Wähler in Waldenbuch zu Gast. Im Schönbuchzimmer des Gasthofs Rössle gibt er ab 19.30 Uhr Einblicke in die Arbeit des Kinderschutzbundes. Nach seinem Impulsreferat ist eine offene Diskussionsrunde geplant. Kontakt zur Geschäftsstelle des Kinderschutzbunds in Böblingen gibt es unter Telefon 07031 25200 oder per Mail an info@dksb-bb.de.