„Wer nicht fragt, bleibt dumm“, lautet die Botschaft der „Sesamstraße“ seit jetzt 50 Jahren. Wie alles begann, warum die Kindersendung zunächst in der Kritik stand und welche Figuren es heute nicht mehr gibt – wir blicken mit der „Sesamstraße“ zurück.

Grobi, der nah und fern erklärt, das Lied „Manah, manah“ und Schlemihl, der Ernie „Hey du! Pssssst“ zuraunt und ihm dann eine Acht verkaufen will – die „Sesamstraße“ hat viele schöne Kindheitsmomente geschaffen, die sich ins Gedächtnis eingebrannt haben. Generationen von Kindern saßen gebannt um 18 Uhr vor dem Fernseher, wenn „Wer, wie, was“ ertönte. Sie verfolgten, wie der gemütliche Samson in der Hängematte schaukelte („Uiuiui“), die altkluge Tiffy etwas erklärte und wie Ernie seinen Freund Bert zur Weißglut trieb.

 

Seit 50 Jahren nun gibt es die deutsche „Sesamstraße“, immer noch ziehen die liebenswerten Figuren aus Jim Hensons Puppenschmiede Kinder in ihren Bann, auch wenn es den Sendeplatz um 18 Uhr nicht mehr gibt.

Die „Sesame Street“ hat ihren Ursprung in den USA

Die „Sesamstraße“ – im Original „Sesame Street“ – kommt aus den USA und stellte 1969 eine fiktive Straße in einer Großstadt dar, in der menschliche Bewohner zusammen mit Puppen wie Oscar aus der Mülltonne oder Bibo lebten. Als die „Sesamstraße“ in Deutschland eingeführt werden sollte, wurde sie im Jahr 1971 zunächst im Original als Testprogramm gezeigt – mit Erfolg. Der NDR in Hamburg ergatterte die Rechte an der Sendung. Deutschland war das erste Land, das außerhalb der Vereinigten Staaten die „Sesamstraße“ zu sehen bekam.

Damals war es ungewöhnlich, dass sich eine Sendung, die von Montag bis Donnerstag ausgestrahlt wurde, ausschließlich an Kinder im Vorschulalter richtete. Manche waren der Meinung, dass die amerikanische Hinterhofkulisse für Deutschland unpassend sei, zumal in der Originalversion schwarze Schauspieler wie Matt Robinson als Gordon und Loretta Long als Susan mitspielten. Besonders der Bayrische Rundfunk befürchtete einen schlechten Einfluss auf deutsche Kinder.

Als am 8. Januar 1973 die synchronisierte „Sesamstraße“ im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, war der Bayrische Rundfunk nicht mit dabei. Doch die Kindersendung mauserte sich schnell zum Publikumshit. In der „Sesamstraße“ lebten die unterschiedlichsten Charaktere friedlich zusammen, jeder hatte sein Plätzchen und durfte so sein, wie er ist. Ganz nebenbei wurde den Kindern etwas beigebracht – damals vor allem das Alphabet und Zahlen – beispielsweise von Graf Zahl, der das Zählen so liebt.

Eltern befürchteten schlechten Einfluss auf ihre Kinder

Doch das vielfältige Miteinander wurde manchen Eltern dann doch zu bunt – der griesgrämige Oscar, der in einer Mülltonne lebt und „Ich liebe Müll“ singt, war ihnen zu viel. Man befürchtete einen schlechten Einfluss auf die Kleinen. Fünf Jahre nach Sendebeginn wurde schließlich eine deutsche „Sesamstraße“ produziert. Statt Hinterhofcharme gab es nun eine saubere Wohngemeinschaft. Griesgram Oscar flog aus dem Konzept, der große Vogel Bibo wurde durch den knuddeligen Samson ersetzt, der den rosa Vogel Tiffy an seine Seite bekam. Die menschlichen Bewohner und Bewohnerinnen waren mit Schauspielgrößen wie Lieselotte Pulver, Henning Venske oder Manfred Krug hochkarätig besetzt.

Neben den lustigen Episoden mit Puppen oder Knetfiguren gab es aber auch Einspieler, die Alltagssituationen der Kinder zeigten. Dabei ging es durchaus gesellschaftskritisch zu. Oft waren die Kinder ihren Eltern die besseren Vorbilder – etwa wenn Mama und Papa sich in den 80er Jahren weigerten, ein Schulfest zu besuchen, an dem auch ausländische Kinder teilnehmen.

Heute beschäftigen die Kinder andere Themen als zu Beginn der „Sesamstraße“. Ging es in den 1970er Jahren noch darum, den Vorschulkindern ein Basiswissen über Zahlen und das Alphabet zu vermitteln, stehen heute „emotionales und soziales Lernen im Vordergrund“, heißt es beim NDR. Grobi erklärt den Kindern beispielsweise, wie man wegen Corona richtig Abstand hält, Wolle und Pferd rufen zum Umweltschutz auf.

Samson und Tiffy sind aus der „Sesamstraße“ verschwunden

Wer in den 1980ern und 1990ern mit der „Sesamstraße“ aufgewachsen ist, wird sich wundern, dass viele lieb gewonnene Charaktere wie Herr von Bödefeld, Tiffy, Samson und Kermit, der Frosch, heute nicht mehr Teil des Ensembles sind. Doch Ernie und Bert, Grobi, das Krümelmonster und Finchen erfreuen auch heute die Kinder – gemeinsam mit im Laufe der Zeit dazugekommenen Figuren wie Wolle und Pferd, Monster Elmo oder die Fee Abby.

Längst wächst nicht mehr jedes Kind mit der „Sesamstraße“ auf – der Sendetermin im Kika wurde in die frühen Morgenstunden verschoben, und die Konkurrenz an Unterhaltungsprogrammen ist überwältigend groß. Wer Grobi, Ernie und Bert sehen will, hat dazu rund um die Uhr und auf allen Kanälen Gelegenheit – ob in der App, online, in der ARD-Mediathek oder auf Youtube. Doch auch wenn sich vieles in 50 Jahren „Sesamstraße“ verändert hat, bleibt die ursprüngliche Idee: Kinder in ihrer Eigenkompetenz zu stärken und ihnen Werte vermitteln. Und natürlich ist eine Botschaft damals wie heute wichtig: „Wer nicht fragt, bleibt dumm.“

Infos zur „Sesamstraße“

Jubiläum
Am Sonntag, 8. Januar, zeigt das Erste ein „Tagesthemen Special: 50 Jahre ‚Sesamstraße‘“ um 7.20 Uhr. Caren Miosga moderiert mit Elmo, Wolle, Pferd und dem Krümelmonster. In „Tausend tolle Sachen!“ erinnern sich prominente Gäste wie Wotan Wilke Möhring und Ingo Zamperoni an ihre Kindheit mit der „Sesamstraße“. Dabei werden Momente der Sendung Jahrzehnt für Jahrzehnt gezeigt – beginnend mit den 1970er Jahren. Zu sehen sind die fünf Folgen in der Mediathek und am 8. Januar von 7.30 Uhr an in der ARD. Der Kika feiert ab 17.35 Uhr „50 Jahre ‚Sesamstraße‘“.

Aktuelle Zahlen
Bis heute wurden 2931 Folgen der „Sesamstraße“ produziert. Der Youtube-Kanal der „Sesamstraße“ verzeichnete 2021 rund 34 Millionen Videoabrufe. Im linearen Kika-Programm liegt der Marktanteil bei Vorschulkindern bei 21,9 Prozent im Jahr 2021.