Lang lebe das Chaos! Es stimmt, sagt unser Kolumnist Michael Setzer, Kinder geben sooooo viiiieeeel zurück, praktischerweise legen sie es auch immer gleich auf dem Fußboden ab.

Stuttgart - Ich lege mich fest, langweilig wird’s nicht mit so einem Kleinen im Haus: ein dreckig lachendes Kind, das sich für alles interessiert und immer über irgendetwas freut. Besser geht‘s nicht. Meines zum Beispiel interessiert sich momentan für alles – außer schlafen. Als ob er jetzt schon wüsste, dass man zu viel verpasst, wenn man ständig schläft.

 

Das Kind findet meine Brille super, die Fernbedienung vom Fernseher, 7’’ Singles, CDs, den Blumentopf, das Smartphone der Mutter, das des Vaters und wahrscheinlich auch das von Angela Merkel. Also, falls die irgendwann mal bei uns zu Hause rumsitzen sollte und ihr Smartphone auf die Couch legen würde. Tisch geht nicht, den haben wir vorsorglich beiseite geschoben, weil das Kind den auch ziemlich spitze findet, aber bitte nicht ständig mit dem Kopf dagegen dotzen soll.

Einen Ratgeber vom Genie

Ich schreibe in der Zwischenzeit mein erstes Buch – einen Ratgeber. Denn die Menschen brauchen noch viel mehr Ratgeber zur Verbesserung ihrer Lebensqualität, idealerweise von Genies wie mir, die andere selbstlos an ihrer Weisheit teilhaben lassen.

Mein Ratgeber wird natürlich ziemlich super, er soll „Einrichtungstipps für Eltern“ heißen. Die gute Nachricht: Viel Papier werden wir nicht verschleudern, denn ich bin längst zum Kern der Sache vorgedrungen.

Achtung, festhalten, hier kommt mein Ratgeber: WERFEN SIE EINFACH ALLES AUF DEN BODEN, DENN EHER FRÜHER ALS SPÄTER LANDET ES EH DORT. Zack, fertig. Gern geschehen. Bestseller. Ich danke Gott, meinem Lektorat und dem Verlag. Buchmesse Frankfurt, ich komme.

Die beste Ablage der Welt

Ich unterstelle dem Kleinen keine böse Absicht, im Gegenteil, aber ich habe ihn durchschaut: Annähernd alles auf der Welt ist interessant für ihn und muss deshalb dort abgelegt werden, wo er jeder Zeit wieder problemlos rankommt. Kein Kind der Welt wäre so doof, etwas auf den Schrank oder in den Keller zu legen. Total schwierig, das bei Bedarf sofort parat zu haben. Also: Zack, runterwerfen, beste Ablage der Welt. Nimm das Marie Kondo!

Und es stimmt: Kinder geben tatsächlich soooo vieelll zurück, sie legen es praktischerweise auch gleich auf den Fußboden. Dank ihm habe ich sogar die 7’’-Single „I have to quit you“ von The Solution wiederentdeckt.

Die lag plötzlich mitten im Wohnzimmer, neben einer zerfetzten Werbebroschüre, einer fein säuberlich sezierten Rolle Klopapier, diversen Kuscheldingsbumsdingern, Brei, Becher, Spielzeug, Babyphone, Fernbedienung, Kochlöffel, einzelnen Babysocken und einem sehr großen Küchenmesser.

Haha. Spaß gemacht. Küchenmesser war da natürlich keines. Der Kleine kocht nicht gerne selbst, er lässt lieber kochen. Und den Kochlöffel braucht er nur, um rhythmisch gegen die Heizkörper klopfen. Der Soundtrack zum Chaos.

Wenn im Supermarkt Kasse 3 öffnet

„Hach, toll so ein Kind“, lacht die Mutter mitten im Durcheinander und rollt ihre Augen bis zum Hinterkopf. Der Kleine lacht auch, brabbelt angeregt, wirft meine Brille durch die Wohnung und räumt die nächste Kiste aus. Mehr Anarchie gibt’s hierzulande nur, wenn im Supermarkt endlich Kasse 3 geöffnet wird.

Und außerdem: Das Kind hat schon gelernt, dass man Gegenstände auch einfach unter die Couch schieben kann. Jetzt muss er eigentlich nur noch sprechen und laufen lernen, dann ist die Nummer hier durch. Jetzt aber erst mal aufräumen, falls die Merkel vorbeikommt.

Michael Setzer ist vor Kurzem Vater geworden. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt. Er schreibt im Wechsel mit seiner Kollegin Lisa Welzhofer, die sich in ihrer Kolumne „Mensch, Mutter“ regelmäßig Gedanken übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr macht.