„Kindskopf“-Kolumne Windel of Change

Weil das Kind ständig Dinge zum ersten Mal tut, hat sich auch unser Kolumnist Michael Setzer nicht lumpen lassen: Er war beim Babybasar.
Stuttgart - Richtig Eltern ist man erst, wenn es schafft, dem Kind unfallfrei eine Windel oder den Strampler anzuziehen, während es mit 50 km/h durch die Wohnung krabbelt. Das ist die Kunst, aus der ein Denkmal wird. Während das passgenaue Anlegen von Windeln zu Beginn eine Oase der Ruhe war, wird das im weiteren Verlauf der Kinderaufzucht zu einer echten Aufgabe – im Privatfernsehen würde man das „Challenge“ nennen.
Dem Sohn fehlt schlichtweg die Lust, einfach so rumzuliegen. Der dreht und windet sich wie Politiker zu Gast bei Marietta Slomka und er setzt dabei mehr Energie frei als acht betrunkene Punker beim Rempeltanz zu „Holiday In Cambodia“ von den Dead Kennedys.
Sogar meine romantische Wickelplaylist hat ausgedient. Es ist noch nicht lange her, da schunkelten wir zu meiner „Windel of Change“-Playlist: Eddie Money, Blue Öyster Cult, Bruce Springsteen und Public Enemy.
Plötzlich passt die Hose nicht mehr
Und dann auch noch das: Wenn‘s arg ungeschickt läuft, wächst das Kind just aus dem Strampler, während der übervorsichtige Vater gerade versucht, den Babyarm einzufädeln. Man könne den Kindern beim Wachsen zugucken, sagen erfahrene Eltern. Das ist natürlich ein bisschen übertrieben.
Je länger man guckt, desto weniger fallen ja Veränderungen auf. Das merkt man an sich selbst, wenn man dicker oder doofer wird, wie’s dazu kam, weiß man selten. Nur: „Huch“, plötzlich passt die Hose oder die Welt nicht mehr und das war‘s dann. Es sei denn man spielt sich ein Update auf die Kiste.
Basar!
Die Frau sagt: „Kleiderbasar!“, ich sag: „Yeah!“ weil alles andere zwecklos wäre. Meine Furcht vor derartigen Menschenaufläufen ist bislang völlig unbegründet, weil ich ja selbst nie zugegen war. Doch wenn das Kind ständig Dinge zum ersten Mal macht, sollte es der Vater auch mal versuchen.
Aller Anfang ist allerdings schwer: Im Foyer des „MüZe“ in Heslach stehen ungefähr 5000 wild durcheinander geparkte Kinderwagen – vielleicht waren es auch ein paar weniger. Ich habe nicht genau nachgezählt.
„Chaos!“, brülle ich. „Wir brauchen endlich schärfere Gesetze!“, weil man das so macht, wenn irgendwo Fahrzeuge abgestellt wurden und man das irgendwie nicht gut findet. Dann haben wir unseren Flitzer daneben gestellt.
Kurz denke ich: Hoffentlich klaut keiner die Karre. Die Wegfahrsperre ist ja leicht zu beheben. Aber ich rede mir ein, so schlecht könne kein Mensch sein. Man klaut einem Cowboy nicht das Pferd und einem Baby nicht den Boliden! Basta.
Alpha-Mütter im Schnäppchenrausch
Der Basar selbst: Super. Man muss nur etwas aufpassen, dass man nicht von wildgewordenen Alpha-Müttern im Schnäppchenrausch über den Haufen gebulldozert wird. Die sind schmerzfrei und die Strickjacke für vier Euro hätte mir auch gefallen.
Ansonsten, wahnsinnig viel hellblaues und rosa Zeug, Kinder die zwischen den Erwachsenen krabbeln, Namen, die durch den Raum gerufen werden und ein bisschen Drama – da gibt’s nämlich nicht nur Klamotten, sondern auch ziemlich viel Spielzeug. „Nee, brauchen wir nicht“, sagt ein Vater, „Uwääähhh!“, das Kind, weil es anderer Meinung ist. Und, äh, ein Mann verkauft High Heels an seinem Stand – Größe 38, grob geschätzt. Irre, wie schnell Kinder wachsen.
Bluejeans und T-Shirt
Ich hab dem Sohn ein T-Shirt gekauft mit Darth Vader vorne drauf – und das obwohl er, hihi, Star Trek gar nicht kennt. Ich so: „Röchel, röchel – ich bin dein Vater“, und er hoffentlich: „Haha“. Das ist der Plan. Außerdem hat er jetzt seine erste Bluejeans, da braucht man auch T-Shirts mit Popkultur-Aufdruck. So will es das Gesetz. Bin jetzt schon traurig, dass er bald wieder raus wächst.
Das lässigste Accessoire mussten wir allerdings später bei unseren Freunden zu Hause entdecken, die gar keine Kinder, dafür aber einen Plüschschinken haben. Ja, ein plüschiges Spielzeug mit Knochengriff, das wie ein Schinken aussieht. Sagenhaft.
Ich schwöre, auch als Vegetarier: Wenn ich jemals so etwas auf einem Basar sehe, dann renne ich ALLE mit 70 km/h über den Haufen, um mir das Ding zu sichern.
Lesen Sie hier mehr aus der Kolumne „Kindskopf“
Michael Setzer ist vor Kurzem Vater geworden. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt. Er schreibt im wöchentlichen Wechsel mit seiner Kollegin Lisa Welzhofer, die sich in ihrer Kolumne „Mensch, Mutter“ regelmäßig Gedanken übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr macht.
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