Zum 40-Jahr-Jubiläum seines Kultfilms „Apocalypse now“ legt Francis Ford Coppola eine Neufassung vor, in Bild und Ton komplett restauriert.

Stuttgart - „Vietnam glich einem Spielfilm, der aus dem Ruder gelaufen war: Die Kosten explodierten, der Zeitplan wurde überschritten, beim Dreh gab’s Streitereien. Im Studio war der erste Auteur, das Skript größtenteils im Kopf, gestorben, der zweite hatte sich angewidert vom Job verabschiedet, der dritte schwor, dass er alles im Kasten hatte, nahm jedoch heimlich weitere Szenen auf . . .“ – Julian Smith blickt in seinem historischen Sachbuch „Looking Away. Hollywood and Vietnam“ (1975) auf die Präsidenten Kennedy, Johnson und Nixon. Die Zeilen treffen aber auch auf den Filmregisseur Francis Ford Coppola („Der Pate“) zu, der bei „Apocalypse Now“ seinen ganz eigenen (Vietnam-)Krieg führte: Er hatte Probleme bei der Besetzung (Jack Nicholson, Al Pacino und Robert Redford winkten ab), ein Wirbelsturm zerstörte sämtliche Sets komplett, dazu kamen Drogenexzesse und die eigene Hybris – bis hin zu Hamburgern, die der Regisseur sich einfliegen ließ. Coppolas späte Erkenntnis: „Wir hatten zu viel Equipment, zu viel Geld. Allmählich wurden wir alle verrückt.“

 

Im Frühjahr 1976 macht sich der fünffache Oscar-Preisträger, berühmt geworden mit der Mafia-Saga „Der Pate“, an sein bis dato ehrgeizigsten Projekt. Er reist auf die Philippinen, die landschaftlich Vietnam glichen und sich als Drehort anbieten, auch weil die Kosten für Bauten und Personal niedrig sind und die dortige Regierung bereit ist, ihre Hubschrauber und sonstiges militärisches Gerät zu vermieten. Rund 13 Millionen Dollar Budget stehen zur Verfügung – letztendlich sollen es 31 Millionen werden. Coppolas Ehefrau Eleanor hält die Entstehungsgeschichte des Opus Magnum zunächst in Tagebuchform fest in „Vielleicht bin ich zu nah“, später dann als Dokumentarfilm unter dem Titel „Reise ins Herz der Finsternis“. Auch die Kinder Gian-Carlo, Roman und Sofia sind dabei, die Haushälterin, der Babysitter und der persönliche Filmvorführer.

Coppola tritt selbst auf

Der Filmemacher, der nach eigener Aussage seine Karriere nach dem Vorbild Adolf Hitlers geplant hatte, war bereit, seinen Ruf und sein gesamtes Vermögen für das Unterfangen aufs Spiel zu setzen. Auf der Pressekonferenz anlässlich der Uraufführung in Cannes 1979 – schließlich ex aequo mit Volker Schlöndorff („Die Blechtrommel“) Gewinner der Goldenen Palme – sagte er: „Das ist kein Film über Vietnam, (...) nicht einmal über den Krieg selbst, sondern über Grundsituationen menschlichen Daseins, wie sie in einem Krieg auftreten.“ Erzählt wird die Geschichte von Captain Willard (Martin Sheen), der in geheimer Mission an Bord eines Schnellbootes einen Fluss hinauffahren, die kambodschanische Grenze überqueren und Colonel Kurtz (Marlon Brando) ausschalten soll, einen hochdekorierten Offizier der Green Berets, der augenscheinlich wahnsinnig geworden ist.

Das Drehbuch fußt auf Joseph Conrads Roman „Herz der Finsternis“, dem Sachbuch „An die Hölle verraten“ von Michael Herr – von ihm stammt der innere Monolog Willards – sowie John Milius’ (Spitzname: „Mussolini of Bay Area“) Originalskript aus dem Jahr 1969, wovon er 1978 Teile für seinen Surfer-Film „Tag der Entscheidung“ verwendete. So erklärt sich die längst ikonische Wellenreiter-Sequenz: Ein Fischerdorf wird dem Erdboden gleichgemacht. Coppola selbst spielt den Regisseur eines Fernsehteams, gefilmt werden die heranstürmenden US-Soldaten – „Nicht in die Kamera schauen!“, ruft er wild gestikulierend den Männern zu. Der Anführer der Einheit, Colonel Kilgore (Robert Duvall), liebt „den Geruch von Napalm am Morgen“, zum Helikopterangriff donnert Wagners „Walkürenritt“ aus den Boxen und einige Rekruten surfen dazu in der Brandung.

Man wähnt sich mitten im Kreuzfeuer

Zum 40-Jahr-Jubiläum hat Coppola sein Meisterwerk ummontiert, zum vorgeblich „Final Cut“ – 147 Minuten dauerte die Urfassung, 195 Minuten „Apocalypse Now Redux“ (2001). Geblieben sind nun 183 Minuten bestes „New Hollywood“-Material. 300 000 Einzelbilder wurden bereinigt, die Audiospur komplett restauriert. Man wähnt sich mitten im Kreuzfeuer, bestechend sind die im 4K-Scan aufbereiteten Bilder von Kameramann Vittorio Storaro. Auf Playmates trifft man mitten im Dschungel, gepflegt gespeist wird bei französischen Kolonialherren. LSD ist die Droge der Stunde, nonstop konsumiert von Sam Bottoms und Dennis Hopper – Method Acting auf ganz eigene Art. Sheen wiederum frönt dem Alkohol, live gefilmt beim blutigen ersten Auftritt. „Das Grauen, das Grauen“ murmelt der mit einer Millionengage gelockte Glatzkopf Brando, der den eigenen Text rezitiert, final – was Jim Morrison bereits in der Eröffnung vorweggenommen hat, als der Urwald in Zeitlupe in Flammen aufgeht: „This is the end, my only friend, the end.“

Apocalypse Now - Final Cut. USA 2019 (1976). Regie: Francis Ford Coppola. Mit Marlon Brando, Martin Sheen, Robert Duvall, Dennis Hopper. 183 Minuten. Ab 16 Jahren. Am 22. Juli im Gloria