Im finalen Abenteuer der Superheldentruppe aus dem Hause Marvel soll diese den Weltuntergang doch noch abwenden. Dabei geht sie durchaus selbstironisch zu Werke.

Stuttgart - Nur ein kurzes Fingerschnipsen reichte dem Bösewicht Thanos im dritten „Avengers“-Film „Infinity War“ aus, um die Hälfte der Menschheit zu Staub zerfallen zu lassen. Unter den Opfern befanden sich verdiente Helden aus dem Marvel-Universum, die in den letzten zehn Jahren Millionen Zuschauer weltweit im Kino faszinierten und mitgeholfen haben, Milliardengewinne in die Konzernkasse zu spülen. Es war ein Filmende, das gerade im Mut zur Stille seine poetische Zerstörungskraft entfaltete – und nicht nur unter eingefleischten Comicfilmfans als größter Cliffhanger der Filmgeschichte gilt.

 

Man durfte also gespannt sein, wie sich die Story-Architekten nach einem so gigantischen „Unhappy End“ im angekündigten Finale aus der Affäre ziehen würden. Zu Beginn von „Avengers 4: Endgame“ herrscht auf dem Planeten Erde zunächst die große Depression. Die Reihen im Superheldenlager sind gelichtet, die Trauer um die verlorenen Kollegen ist groß. Captain America (Chris Evans) leitet eine Selbsthilfegruppe für die Hinterbliebenen der Massenvernichtung und glaubt nicht an seine eigenen Durchhalteparolen. Iron Man (Robert Downey jr.) hat sich ins Privatleben zurückgezogen und konzentriert sich auf die Erziehung seiner fünfjährigen Tochter. Black Widow (Scarlett Johansson) leitet müde die Zentrale zur Verbrechensbekämpfung, während sich der omnipotente nordische Gottessohn Thor frustriert dem Suff ergibt. Wie Jeff Bridges in „The Big Lebowski“ sieht Chris Hemsworth aus, die Pixelmeister haben ihm eine Bierwampe und Schwimmreifen auf den Astralleib geschnürt.

Die rettende Idee hat der kleinste unter den Helden

Die rettende Idee kommt ausgerechnet vom kleinsten Mitglied im Superhelden-Team: Ant-Man (Paul Rudd) hat die Halbierung der Menschheit irgendwo im Zeittunnel verbracht, dessen quantentheoretische Erklärung schon in „Ant-Man and the Wasp“ keiner verstanden hat. Er will die Technik dazu nutzen, um zurück in die Vergangenheit zu reisen. Dort soll das Avengers-Kollegium jene magischen Steine einsammeln, die Thanos seine zerstörerische Kraft verliehen haben. Das Instrument Zeitmaschine ist ein äußerst abgegriffenes Hilfsmittel in diesem Genre, dessen sind sich die Regisseure Anthony und Joe Russo auch bewusst. Durch selbstironische Verweise auf so ziemlich alle einschlägigen Zeitreisefilme versuchen sie diese erzählerische Schwäche wettzumachen, und beinahe gelingt es ihnen. Das Avengers-Kollektiv teilt sich auf, um in Kleingruppen der Steine habhaft zu werden, die auf der Erde und auf fernen Planeten versteckt sind. Dabei wird tapfer gekämpft und noch tapferer gestorben, und um die Spannung zu steigern, unterminiert der Film teilweise den Mythos von der superheroischen Unbesiegbarkeit.

Auf schlappe drei Kinostunden haben die Russos den letzten Teil der „Avengers“-Reihe gestreckt, und sie rekrutieren im finalen Kampfgemetzel so ziemlich jeden Superhelden, der in den vergangenen Jahren unter dem Marvel-Siegel das Licht der Leinwand erblickt hatte. Langweilig wird es bei der ausufernden Betriebsfeier allerdings zu keinem Zeitpunkt, weil das Regie-Duo die epische Breite immer wieder durch selbstironischen Humor auflockert und sich auch die Zeit für ruhigere Momente nimmt, in denen die Figuren zu (bescheidenen) Selbstreflexionen ausholen dürfen.

Ob es einen Relaunch gibt, ist noch unklar

Ob es nach diesem rauschenden Finale in naher Zukunft ein Relaunch der „Avengers“-Filme geben wird, darüber darf munter spekuliert werden. Das wird vor allem in neuen Vertragsverhandlungen mit den Schauspielern entschieden, von denen einige sichtbar den finalen Ausstieg suchen; andere wie Brie Larsons Captain Marvel und Chadwick Bosemans Black Panther haben sich gerade erst warmgelaufen. Wiederauferstehungen gehören im Hause Marvel auf jeden Fall zur Konzernstrategie: Der ertragreiche „Spider-Man“ wurde innerhalb von nur sechzehn Jahren schon viermal zu neuem Leben erweckt.