Kinokritik: Maria Stuart Maria Stuart und Elisabeth I. im Zickenkrieg

Bodyshaming und Frauenpower sind Konstrukte der Moderne. In Josie Rourkes historischem Biopic über zwei Monarchinnen des 16. Jahrhunderts spielen sie trotzdem eine Rolle.
Stuttgart - Als die 45-jährige Maria Stuart am 18. Februar 1587 ihren Kopf auf den Richtblock legt, endet ihr irdisches Leben – als Gestalt dramatischer und historischer Arbeiten wirkt sie aber bis heute. Die Hinrichtung wählt die Britin Josie Rourke als Ausgangspunkt, um in „Maria Stuart, Königin von Schottland“ vom Leben der interessanten Frauenfigur zu erzählen. Bevor das Beil fällt, folgt ein Umschnitt zurück, als sie nach Jahren der Abwesenheit per Boot in ihrer schottischen Heimat landet und sich seekrank am Strand erbricht.
Die 18-Jährige ist Witwe. Ihr Mann, Franz II., König von Frankreich, ist früh gestorben. Marias Tage am französischen Hof sind damit gezählt, also will sie den ihr zustehenden schottischen Thron besteigen. Doch in ihrer Abwesenheit hat sich ihre Cousine, Elisabeth I., Königin von England, Schottland unter den Nagel gerissen. Als Maria auch Anspruch auf den englischen Thron erhebt – Elisabeth galt nach der Hinrichtung ihrer Mutter Anne Boleyn als illegitimes Kind Heinrichs des VIII. und damit als nicht erbberechtigt – entbrennt ein jahrelanger Konflikt.
Saoirse Ronan und Margot Robbie brillieren in ihren Rollen
Josie Rourke setzt in dieser verflucht vertrackten Geschichte nicht bloß auf Faktentreue, sondern auf den gerade in Zeiten von Metoo spannenden Kern der Historie: Zwei Frauen kämpfen in einer Männerwelt um ihre Rechte, um Macht und Anerkennung. Beide wissen, dass sie Spielbälle ehrgeiziger Politiker sind, die Frauen keine Staatsgeschäfte überlassen wollen. Doch obwohl sich Maria und Elisabeth in Intelligenz und Interessen ähneln, lassen sie es zu, dass sie durch die Ränke der Männer und durch ihre unterschiedlichen Religionen entzweit werden. Saoirse Ronan als Maria und Margot Robbie als Elisabeth brillieren in ihren Rollen, die Dialoge sind geschliffen und dicht, Langeweile kommt in Rourkes opulentem Historienfilm nie auf.
Trotzdem wirkt die Darstellung schief, weil Rourke den Plot mit Gewalt auf heutige feministische Perspektiven hinbiegt. So erscheinen Marias und Elisabeths Gefolge erstaunlich multiethnisch: Marias in Wahrheit aus Italien stammenden Sekretär Rizzio interpretiert Ismael Cruz Cordova als Klischee eines feurigen Lateinamerikaners, asiatische und afroamerikanische Zofen und Berater tummeln sich gleichberechtigt neben Schotten, Engländern und Franzosen. Ob das der historischen Wirklichkeit entspricht, kann man mindestens bezweifeln. Marias Körper, ihre Sexualität und die Geburt ihres Sohnes Jakob werden zu zentralen Motiven, die unfruchtbare, von Pockennarben entstellte und emotional verunsicherte Elisabeth führt die Folgen des Bodyshaming vor. Dabei wäre diese krampfhafte Anpassung der Figuren an heutige Erfahrungen gar nicht nötig – man begreift auch so, dass sie ihrer Zeit voraus waren, dass sie erstickt wurden von männlicher Geltungssucht. Das würde genügen, um sich in die Königinnen einzufühlen.
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