Bunt bebildert Roland Emmerich in „Midway“ eine der entscheidenden Pazifikschlachten des Zweiten Weltkriegs zwischen Amerikanern und Japanern. Doch über die rein historische Erzählung hinaus bleiben viel Fragen offen.

Stuttgart - Eine Zeitreise im doppelten Sinn ist dieser Film: Zum einen zeigt der gebürtige Stuttgarter und Wahl-Hollywoodianer Roland Emmerich in „Midway“ die entscheidende Pazifik-Schlacht des Zweiten Weltkriegs zwischen Amerikanern und Japanern – zum anderen bebildert er sie wie ein Nachkriegsregisseur. Seine Handlung folgt den überlieferten Ereignissen im Seekrieg um das Midway-Atoll auf halber Strecke zwischen Kalifornien und Japan. Im Zentrum steht der Kampfflieger Dick Best, der zunächst als todesmutiger Querulant Leben und Material aufs Spiel setzt, sich allmählich zum besonnenen Anführer wandelt und als einziger Pilot jemals zwei Flugzeugträger an einem Tag versenkt.

 

Emmerich zeigt diplomatische Bemühungen, mit großem Effekt-Brimborium den japanischen Luftschlag auf die US-Pazifikflotte im Hafen von Pearl Harbor am 7. Dezember 1941. Das folgende Ringen im Pazifik gewinnen die Amerikaner gegen eine übermächtige japanische Flotte. Um Durchhalten und Kampfmoral geht es da, um Taktik und geniale Dechiffrierer, die verschlüsselte japanische Botschaften abfangen und richtig deuten.

Man hat nie das Gefühl, allzu nah am Geschehen zu sein

Mehr erzählt Emmerich nicht, er verzichtet auf Zwischentöne und wirft keine weiteren Fragen auf – außer, unfreiwillig, einer: Wieso dann überhaupt so einen Film machen? Clint Eastwood ist in seinen Zwillingsfilmen „Flags of our Fathers“ (2003) und „Letters from Iwo Jima“ (2006) tief eingedrungen in das Wesen des Pazifikkrieges, aus amerikanischer wie aus japanischer Sicht. Emmerich bleibt an der Oberfläche und lässt dabei viele Themen liegen. Wieso und inwiefern war das japanische Kriegsgerät dem amerikanischen überlegen? Brad Pitt hat das mit Blick auf deutsche und amerikanische Panzer sehr bildhaft beantwortet in dem beinharten, illusionsfreien Weltkriegsfilm „Fury“ (2014). Wie wurden die Botschaften dechiffriert? Und waren daran vielleicht auch Frauen beteiligt, die in diesem Film voller schmucker uniformierter Männer nur punktuell als besorgte Ehefrauen auftauchen? Eine Frau (Kate Winslet) ist es, die in „Enigma“ (2001) den deutschen Code knackt. Und war nicht Pearl Harbor der Grund für den späten Kriegseintritt der isolationistischen USA, der das Blatt entscheidend wenden sollte?

Auch visuell bleibt „Midway“ auf Distanz. Nie hat man das Gefühl, mit Best oder seinem Widersacher McClusky im Cockpit zu sitzen, unter Beschuss im Sturzflug auf feindliche Schiffe – die Zuschauer bleiben unbeteiligte Beobachter. Dem Cowboy Best und dem Sicherheitsfußballer McClusky, beherzt gespielt von den Briten Ed Skrein und Luke Evans, verweigert Emmerich sogar die klärende Rauferei, die anfangs in der Luft liegt. Das ist symptomatisch: „Midway“ ist viel zu brav. Im Schlachtengetümmel fliegen Geschosse, aber ihre Wirkung bleibt seltsam entkoppelt. Getroffene sinken still zu Boden, und wenn Schiffe explodieren, hält sich die Kamera fern von Opfern, die zerrissenen werden oder in Flammen aufgehen. Nichts davon sollte um seiner selbst Willen gezeigt werden, ein Film über den Krieg aber, der den Zuschauern dessen Greuel weitgehend erspart, verharmlost und verniedlicht.

Immerhin bleibt Emmerich unpatriotisch

Vor dem potenziell tödlichen Einsatz tauschen die Piloten Binsenweisheiten aus wie die, dass man auch schon morgen von einem Auto überfahren werden könnte. Und die Überlebenden feiern strahlend ihren Sieg. Keiner ist traumatisiert wie in Terrence Malicks Weltkriegsfilm „Der schmale Grat“ (1998), wo nach einer gnadenlosen Schlacht um die Pazifikinsel Guadalcanal Japaner und Amerikaner einander erschüttert und zitternd anschauen und sich fragen, wie es zu so einer Barbarei überhaupt kommen kann. Seit Francis Ford Coppolas Vietnamfilm „Apocalypse now“ (1979) ist das Kino der Fratze des Krieges immer nähergekommen, hat ihm heroischen Pomp und falsche Romantik genommen. Stanley Kubrick ist das in „Full Metal Jacket“ (1987) meisterhaft gelungen. Und Steven Spielberg hat das massenhaften Sterben alliierter Soldaten bei der Landung in der Normandie in ein realistisches Licht gerückt in „Der Soldat Jamey Ryan“ (1998).

Emmerich dagegen verharrt in der Erzählhaltung der 50er Jahre. Immerhin gibt er sich unpatriotisch und hält sich fern von der grusligen US-Propaganda, die Michael Bay in dem Hochglanzstreifen „Pearl Harbor“ (2001) aufgetischt hat. Allerdings bedient Emmerich das Bild der Idioten im fernen Washington, die nichts verstehen und von standhaften Rebellen auf den richtigen Weg gebracht werden müssen. Genau so denken viele Anhänger des aktuellen US-Präsidenten. Der Regisseur beteuert in Interviews, er habe das Richtige tun wollen – nun besteht die Gefahr, dass sein Film den Falschen gefällt.

Midway – Für die Freiheit. USA 2019. Regie: Roland Emmerich. Mit Ed Skrein, Woody Harrelson, Luke Evans. 139 Minuten. Ab 16 Jahren. Cinemaxx City & Si, Metropol, Ufa https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kinokritik-joker-ein-opfer-wird-zum-taeter.c4026e65-0e4b-4d84-a6f3-c411030c32b9.html https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kinokritik-zu-scary-stories-to-tell-in-the-dark-grausige-umarmungen.1c6f0e44-1ee8-4bc9-a612-635c20cd0097.html https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kinokritik-terminator-6-dark-fate-frauen-bieten-dem-killer-androiden-die-stirn.fe8779fb-8852-4d87-938e-9197f11e36b5.html