Der Film „New Mutants“ kommt mit dreijähriger Verzögerung ins Kino. Doch der Ableger der „X-Men“-Blockbuster erfüllt die hohen Erwartungen nicht – trotz Maisie Williams aus „Game of Thrones“.

Stuttgart - Die langwierige Vorgeschichte von Josh Boones „New Mutants“, der nun mit dreijähriger Verzögerung ins Kino kommt, lässt nichts Gutes erahnen. Bereits im Oktober 2017 wurde der erste Teaser veröffentlicht, der einen Start des „X-Men“-Spin-offs für April 2018 ankündigte. Eine frische Neuauflage für eine jüngere Zuschauergeneration a la „Spider-Man: Homecoming“ hatte man ursprünglich im Sinn.

 

Aber nach Fertigstellung wurde der Film erst einmal auf Eis gelegt. Nachdem der letzte X-Men-Film „Dark Phoenix“ hinter den kommerziellen Erwartungen zurückblieb und sich die produzierende 20th Fox ins Portfolio des Branchengiganten Disney einsortieren musste, wurde der Start weiter und weiter verschoben. Nun bringt der Konzern das ungeliebte Stiefkind auf dem unsicheren Corona-Kinomarkt heraus und kündigt das Ende der X-Men-Ära an. Statt innovativem Neuanfang ist „New Mutants“ nun der Abgesang auf ein Franchise, das in den letzten 20 Jahren rund sechs Milliarden Dollar eingespielt hat.

Bereits vor drei Jahren sollte der Streifen erscheinen

Im Kanon der Superhelden-Blockbuster ragten die die X-Men-Filme stets heraus. Die Geschichte der Mutanten, die um Identität und gesellschaftliche Anerkennung ringen, war eng mit der Historie des 20. Jahrhunderts verknüpft. Michael Fassbenders Leid gestählter Magneto, der in Bryan Singers „X-Men: Apokalypse“ das Konzentrationslager Auschwitz hinwegfegt, gehört nach wie vor zu den großen Kinofiguren des neuen Jahrtausends. Mit der cineastischen wie kommerziellen Wucht der Vorgängerwerke können (und wollen) die „New Mutants“ in keiner Weise mithalten. Boone dimmt die Erwartungshaltungen gezielt herunter und geht hinein in ein B-Movie-Format, das mehr Horror-Film als Fantasy-Spektakel sein will. Ähnlich wie der große Magneto wird auch die junge Dani (Blu Hunt) Zeugin eines Massakers im Indianer-Reservat der Cheyenne, bei dem ihr ganzer Stamm ausgelöscht wird. Als einzige Überlebende wacht sie in einem Hospital auf, in dem sich die Ärztin Dr. Reyes (Alice Braga) um die Eingliederung von Mutanten-Jugendlichen kümmert. „Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle“ heißt es bei den Meditationsübungen und in therapeutischen Gesprächsrunden sollen die Azubis lernen, ihre übernatürlichen Fähigkeiten in Zaum zu halten. Die aggressive Schwertkämpferin Illyana (Anya Taylor-Joy), der schuldgeplagte Düsenmann Sam (Charlie Heaton), der Latino-Feuermann Roberto (Henry Zaga) und die junge Werwölfin Rhane (Maisie Williams) leiden unter traumatischen Erfahrungen, welche den kontrollierten Einsatz ihrer Superkräfte verhindern.

Durchaus schlüssig buchstabiert Boone in „New Mutants“ das Grundmotiv der X-Men-Filme als radikal pubertären Selbstfindungsprozess durch, in dem die jugendlichen Mutanten um die eigene Identität ringen. Aber die inneren Dämonen mutieren schon bald zu wenig überzeugenden Monsterfiguren, die es in einem effektgeladenen Finale zu bekämpfen gilt.

Bekannte Darsteller überzeugen nicht zu 100 Prozent

Auch wenn talentierte Jungstars wie Anya Taylor-Joy („Emma“) und Maisie Williams („Game of Thrones“) sich mit Verve in ihre Rollen werfen, fehlt es „New Mutants“ deutlich an inhaltlicher Tiefe und dramaturgischer Dichte.

Über weite Strecken wirkt die Angelegenheit wie ein Pilotfilm zu einer TV-Serie, die es nie geben wird. Über zwei Drittel des Filmes werden die Charaktere in der Mutanten-Clique aufgebaut, um sie dann in einem holprigen Finale einer überstürzten Katharsis zuzuführen. Man wird wohl nie erfahren, wie viele Test-Screenings, Re-Shoots und Umschnitte dieser Film in den letzten drei Jahren durchleiden musste. Aber für ein herausragendes Franchise wie „X-Men“ ist und bleibt „New Mutants“ eine Beerdigung dritter Klasse.

New Mutants (USA, 94 Minuten). Regie: Josh Boone. Mit: Blu Hunt, Anya Taylor-Joy und Maisie Williams. Ab 16; in Stuttgart in den Kinos EM, Cinemaxx, Corso