Ende der Neunziger war John Maddens „Shakespeare in Love“ ein Kinohit. Alexis Michaliks schöne Theaterkomödie funktioniert ähnlich gut.

Stuttgart - Alle Welt spricht von Georges Feydeau und seinem „Gockel“, der auf den Bühnen einen Erfolg nach dem nächsten einfährt. Für Edmond Rostands heroisches Drama „Die ferne Prinzessin“ haben die Leute nicht mal ein müdes Klatschen übrig. Und das, obwohl die große Sarah Bernard als Prinzessin glänzt!

 

Der vom jederzeit verfügbaren Angebot der Streamingdienste verwöhnte Mensch des Jahres 2019 kann sich kaum mehr vorstellen, wie populär und aufregend das Theater zum Ende des 19. Jahrhunderts gewesen sein muss. Der polnisch-französische Regisseur und Schauspieler Alexis Michalik kennt sich mit der Materie aus. In „Vorhang auf für Cyrano“ entführt er sein Publikum in die sogenannte Belle Epoque nach Paris, wo amüsierfreudige Nachtschwärmer den nächsten Kick in den Brasserien und im Theater suchen, sich aufstrebende Dichter mit ihren Werken gegenseitig übertrumpfen wollen, reiche Mäzene über Top oder Flop entscheiden.

Historische Wahrheit und plausible Fiktion

Michaliks Protagonisten hat es wirklich gegeben. Die Stücke des Komödienautors Georges Feydeau („Der Floh im Ohr“) werden noch immer gern gespielt. Edmond Rostands romantisches Drama „Cyrano de Bergerac“ von 1897 gehört sogar zu den erfolgreichsten Stücken der französischen Theaterliteratur. Der Film erzählt, dass zu Rostands Lebzeiten jedoch niemand so recht glaubt, dass der Dichter mit seinen ollen Alexandriner-Versen jemals Massen begeistern könnte. Wie ihm das mit seinem „Cyrano de Bergerac“ doch gelang, schildert Alexis Michalik in seinem Spielfilmdebüt in einer Mischung aus historischer Wahrheit und plausibler Fiktion nach dem Muster von John Maddens „Shakespeare in Love“ (1998).

Zunächst ist Edmond Rostand (Thomas Solivérès) bedrückt vom Misserfolg. Seine Gönnerin Sarah Bernard (Clémentine Célarié) vermittelt ihm den Kontakt zum in Schieflage geratenen Meistermimen Coquelin (Olivier Gourmet). Der wiederum sucht nach einem Autor, der ihm fix ein Stück zimmert. Aktuell ist Coquelin mit einer Produktion durchgefallen, er hat aber das Theater gemietet und fürchtet, auf den Kosten sitzen zu bleiben. In drei Wochen soll Edmonds neuestes Werk mit Coquelin als romantischem Helden Premiere feiern. Der Haken: Es gibt kein Stück.

Detailfülle, Charme und Witz

Michalik imaginiert nun, wie der unter einer Schreibblockade leidende Edmond aus der Liebelei zwischen dem hübschen, aber einfältigen Jungschauspieler Léo (Tom Leeb) und der schwärmerischen Ankleiderin Maria (Mathilde Seigner) Inspiration schöpft, dabei aber das eigene Eheglück riskiert. Michaliks Film glänzt durch seine Detailfülle, seinen Charme und Witz. Interessante Figuren wie der Schauspieler, der lieber ein Bäcker wäre, oder der schwarze Bar-Besitzer Honoré (Jean-Michel Martial), der Edmond die ersten spritzigen Zeilen für das Stück liefert, bereichern das typische Stamm-Ensemble. Überzeugend geraten auch die Schilderungen der Alltagskultur. In den Straßen eröffnen schon die ersten Lichtspielbuden, die den Bühnen Konkurrenz machen wollen. Alexis Michalik feiert mit seinem Film beide Künste. So schön wie hier erzählt das Kino selten vom Theater.

Vorhang auf für Cyrano. Frankreich, Belgien 2018. Regie: Alexis Michalik. Mit Thomas Solivérès, Mathilde Seigner, Olivier Gourmet. 113 Minuten. Ohne Altersbeschränkung. Atelier am Bollwerk