Robert Seethalers Roman „Der Trafikant“ hat viele begeisterte Leser gefunden. Die werden in Nikolas Leytners Verfilmung vielleicht keine neuen Ideen finden – aber hervorragende Schauspieler.

Stuttgart - Als der Fabrikant Preininger vom Blitz erschlagen wird, verlieren der Halbwaise Franz Huchel und seine Mutter ihr Auskommen. Der Sohn muss nach Wien, um für Otto Trsnjek zu arbeiten, einen anderen Ex-Liebhaber, der eine Trafik betreibt, einen Laden für Tabak, Schreibwaren und Zeitschriften. Franz will nicht – die Mutter gibt ihm eine Ohrfeige. Es ist 1937, die Nazis sind längst überall, der Metzgermeister gehört zu ihnen, aber Huchel und Trsnjek wollen sich nicht beugen. Plötzlich aber wehen die roten Fahnen, und es ist kein Verbrechen mehr, die Scheiben eines Ladens, in dem Juden bedient werden, zu beschmieren, einzuschlagen.

 

Robert Seethalers Roman „Der Trafikant“ liegt nach sechs Jahren immer noch in jeder Buchhandlung. Er beschreibt mit leichter Hand, wie eine Welt sich ändert, das Böse in den Alltag dringt. Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse, ist einer der Juden, die beim Trafikanten kaufen. Der 17-jährige Franz erlebt, wie die politische Welt ihr Gleichgewicht verliert – und seine erste, verzweifelte Liebe zur böhmischen Varieté-Tänzerin Anezka. Franz vertraut sich dem eigenwilligen alten Traumdeuter an, der sich bei Trsnjek Zigarren holt. Sigmund Freud gibt dem jungen Mann einen sehr prosaischen Ratschlag: „Mit Frauen“, sagt er ihm, „ist es wie mit Zigarren: Wenn man zu fest an ihnen zieht, verweigern sie einem den Genuss.“

Hoffnungsvoll naiv

Nikolas Leytner führte bisher Regie vor allem bei Fernsehspielen. Für diese Kinoproduktion nun konnte er Bruno Ganz für die Rolle des greisen Freud gewinnen. Leytner strafft die Handlung, vor allem zu Beginn und gegen Ende. Manchmal wünscht man sich ein Verweilen, mehr Wagemut, trotz der kurzen Traumsequenzen, die ins Geschehen hineinexplodieren. Seethalers Erzählton, der den jungen Franz mit hoffnungsvoller Naivität in hoffnungslose Zeiten schickt, wird der Regisseur zumindest punktuell gerecht, vom dunklen Ende der Geschichte wendet er sich glücklicherweise nicht ab. „Der Trafikant“ gerät so, mit viel Zeitkolorit, zu einem Film, der seiner Vorlage nichts hinzufügt, ihr aber auch wenig nimmt – und der vor allem durch den Charme seiner Darsteller gewinnt.

Lebendig wird die Geschichte durch Simon Morzé, Emma Drogunova, Johannes Krisch: der Lehrling, aufrichtig und verwirrt; das Mädchen, frivol und doch gutherzig, vor allem aber gerissen; der alte Tabakhändler, trotzig. Bruno Ganz mag die Zerbrechlichkeit des späten Sigmund Freud nicht haben, aber er eignet sich auch diese Figur mit sicherem Gespür an. Und Seethaler selbst, der zuerst Schauspieler war, ist als hagerer Nazischerge zu sehen.

Der Trafikant. Österreich 2018. Regie: Nikolas Leytner. Mit Simon Morzé, Bruno Ganz, Emma Drogunova, Johannes Krisch, Karoline Eichhorn, Regina Frisch. 113 Minuten. Ab 12 Jahren.