Wes Andersons sorgsam handgemachter Puppentrickfilm „Isle of Dogs“ ist eine Liebeserklärung an des Menschen besten Freund und an die Kunst der Animation. Das apokalyptische Szenario wird durchdrungen von Andersons sanfter Ironie.

Stuttgart - Hunde, so heißt es, wären die besten Freunde des Menschen – sie gelten als verlässlicher loyal. Schockierend wirkt da, was im jüngsten Werk des US-Regisseurs Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“) Herr Kobayashi plant, der Bürgermeister der japanischen Stadt Megasaki: Weil das Schnauzenfieber grassiert, verbannt er alle Hund nach Trash Island, eine Mülldeponie im Meer. Die Vierbeiner indes erweisen sich als findig, und sie bekommen Hilfe von Kobayashis Sohn Atari, einem Wissenschaftler und der forschen US-Austauschschülerin Tracy.

 

Viel wichtiger ist, wie meistens bei Anderson, die Metaebene: Mit der ihm eigenen, sanften Ironie thematisiert er in „Isle of Dogs“, wie der Mensch mit Tieren umgeht, wie er den Planeten vermüllt, wie Kreaturen auf Krisen reagieren, wie Politiker zu Potentaten werden können, wie Wohlstandsdegenerierte dem wirklichen Lebens entrücken. Und auch wenn die Liebe zum Hund schon im Titel steckt – „Isle of Dogs“ klingt gesprochen wie „I love Dogs“ –, sind die Vierbeiner in diesem Film keine tierischen Typen wie der verspielte Snoopy bei den „Peanuts“ oder der putzige Dug im Pixar-Trickfilm „Oben“, sondern personifizierte Fabelwesen wie der Hund Brian, der in der Tricksserie „Family Guy“ den menschlichen Charakteren den Spiegel der Unvollkommenheit vorhält.

Der Weg in die Freiheit kann weit sein

Andersons Protagonisten heißen Rex, King, Duke und Boss und hatten ein sorgenfreies Leben, entsprechend schwer tun sie sich mit dem kargen Dasein auf der Müllinsel – ganz anders als der zerzauste Straßenköter Chief, der ihnen einsingt: „Wir sind ein Rudel furchteinflößender, unzerstörbarer Alpha-Hunde.“ Mancher vermisst sein Herrchen angesichts der Herausforderungen eines unabhängigen Daseins – der Weg in die Freiheit kann weit und ungewiss sein.

Die Hunde sind hier die interessanteren Menschen, die japanischsprachigen Zweibeiner eher universelle Stellvertreter für das übliche Filmpersonal. „Ich wünschte, jemand spräche seine Sprache“, sagt ein Hund zum anderen, wenn Atari eine engagierte Rede hält – der interkulturelle Graben verläuft hier zwischen Mensch und Tier, den selbstironischen Kommentar zur US-amerikanischen Sprachfaulheit gibt es obendrein. Japan als exotische Folie mit Kabuki und Trommelgruppe zu deuten, die Anderson nur benutzt, wäre ein Missverständnis: Er verbeugt sich klar, filmisch auch vor den großen Regisseuren Akira Kurosawa („Die sieben Samurai“) und Hayao Miyazaki („Prinzessin Mononoke“).

Alle Figuren wurden von Hand gefertigt

Im Original leihen Bryan Cranston (Chief), Scarlett Johansson (Hundedame Nutmeg), Bill Murray (Boss) und Greta Gerwig (Tracy) den Figuren ihre Stimmen und geben Andersons lakonischen, sehr amerikanischen Drehbuchsätzen starken Ausdruck; das ins Deutsche hinüberzuretten, dürfte zumindest schwierig werden.

Was bleibt, ist die Liebeserklärung des Regisseurs an den klassischen Stopp-Trick-Film: 27 Animatoren haben die Figuren zum Leben erweckt, die bis hin zu jedem einzeln eingepflanzten Alpaca-Haar liebevoll von Hand gefertigt wurden. Wenn da eine Gruppe Wissenschaftler anstößt oder ein Rudel Hunde durcheinanderredet, kann man nur erahnen, wie komplex und mühsam der Animationsprozess in den detailreichen Kulissen gewesen sein muss. Wenn die Hunde sich gegen übermächtige Roboter-Pendants wehren, verschwinden alle in einer wild sich drehenden Wolke, wie man sie aus Comics kennt – solche Überpointierungen gehören zu Andersons Handschrift wie ein leichter Super-8-Turbo in den Bewegungen.

Der Aufwand hat sich jetzt schon gelohnt: „Isle of Dogs“ war in diesem Februar der erste Animationsfilm überhaupt, der die Berlinale eröffnet hat, und Anderson bekam am Ende den Regie-Bären. Sein eigenwilliger Stil mag Geschmacksache sein, inhaltlich ist er mitten drin in den drängenden Themen der Gegenwart.