Der Regisseur Wim Wenders porträtiert in seinem Dokumentarfilm den Mann im Vatikan – und schafft es, dessen Charisma tatsächlich auch auf der Leinwand aufstrahlen zu lassen.

Rom - Ein Mensch in herausgehobener Position – der Papst, der Stellvertreter Gottes auf Erden – erweist sich als bescheiden, zurückhaltend, Pomp und Unfehlbarkeitsgehabe scheuend. Dieser Mangel an Eitelkeit reizt ungemein in einer Welt der grassierenden Selbstdarstellung. Dass einer, der sich beständig öffentlich zeigen muss, sich selbst für gar nicht so wichtig hält, dass er auch Stille und Ruhe sucht und sich manchmal dem Rummel entziehen möchte, lockt die Kameras, ihm dicht auf den Fersen zu bleiben, die abgewandten Momente hell auszuleuchten und groß zu präsentieren, die Bescheidenheit als Attraktion aufzuwerten.

 

Ein Dokumentarfilm über Papst Franziskus könnte also leicht ein Debakel werden, eine schlimme Verkrümmung seines Gegenstands, könnte als Porträt nur peinlich wirken und schlimmstenfalls den Porträtierten – oder wenigstens dessen positives Image – beschädigen. Wim Wenders’ Dokumentarfilm „Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes“ schafft es, diesem leicht vorstellbaren Scheitern zu entgehen. Ja, die Kamera ist oft nahe dran am Papst, zeigt seine Begegnungen mit Gläubigen, studiert sein Gesicht in Interviewszenen, rahmt den Mann in manchem Zeremoniell. Aber weder wirkt diese Bebilderung aufdringlich oder ungehörig noch bekommt sie etwas Ironisches, Skeptisches, Misstrauisches, als gelte es, Heuchelei zu entlarven. Wenders will keine Zweifel säen. „Ein Mann seines Wortes“ wird vor allem zum Transportbehältnis für das Charisma dieses speziellen Papstes.

Die Dogmen und der Apparat

Man mag dem 1936 geborenen Argentinier, der einmal Bischof von Buenos Aires war, gerne glauben, dass er nicht nur ein Papst der Armen sein möchte, sondern sich auch eine ärmere Kirche wünscht. Dass er noch große Umbauten des Apparats vorhat und und die Dogmen seiner Kirche so dringend an die moderne Welt anpassen möchte, wie er diese Welt auf die unbequemen ethischen, moralischen, ökonomischen und ökologischen Konsequenzen aus den Lehren Christi verpflichten möchte. Aber man begreift, dass er lavieren und taktieren muss in einem von teils sinistren Machtblöcken geprägten Vatikan. Und auch, dass er aus seinem Glauben heraus nicht in allem der politische Verbündete liberaler Laizisten sein kann.

Man würde also gerne einmal hinter die Kulissen des Vatikans oder die Stirn von Franziskus blicken. Wer solch einen Coup des Journalismus erwartet, ist in „Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes“ falsch. Man sieht, anders als in Wenders’ Spielfilm „Der Himmel über Berlin“, der uns einst an den Gesprächen der Engel teilhaben lassen wollte, nichts, was man nicht schon kennen würde. Gerade das ist das Eindrucksvolle.

Schlichte, belebende Sätze

Ob er nun über Bescheidenheit spricht oder bei einem seiner Auslandsbesuche auf einzelne Menschen zugeht, nie wirken Worte oder Gesten einstudiert, sondern ganz authentisch. Sie kommen von Herzen, möchte man altmodisch sagen. Die Kraft dieses Papstes, die der Film gut vermittelt, liegt nicht in neuen Gedanken, sondern darin, schlichte Sätze, die längst phrasenhaft schienen, wieder als große Wahrheiten aufleuchten zu lassen. Er kann sie nicht nur als Forderungen präsentieren, sondern als belebende Ermutigungen, das eigene Handeln und die Strukturen ringsum zu verändern. Das soll gar nicht gehässig klingen: Wenders hat nie einen erhebenderen Film gedreht.

Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes. Italien, Schweiz, Deutschland, Frankreich 2018. Regie: Wim Wenders. Dokumentarfilm. 96 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.

Termin: Am 15. Juni 2018 um 20 Uhr kommt Wim Wenders zur Vorstellung seines Films ins Metropol.