In Hedelfingen und Wangen haben sich dieses Jahr keine aktuellen Kirbejahrgänge gebildet. Ältere Kirbebuben und -mädle springen in die Bresche und retten dadurch das Traditionsfest.

Hedelfingen - Kommenden Freitag wäre es wieder soweit: Die Kirbesaison in den Oberen Neckarvororten würde beginnen – traditionell in Obertürkheim. Ein stimmungsvolles Weinfest in der Kelter, die Landjugend tanzt den Riesentrauben auf, lokale Kulturvereine unterhalten die Besucher, der Stadtbezirk trifft sich auf ein oder mehrere Viertele – letztmals in dieser Form vor einem Jahrzehnt. Im Wochentakt folgen dann Wangen, Hedelfingen, Uhlbach mit ihrer Kirbe, den Abschluss bildete Untertürkheim. Langjährige Kirbegänger wussten die Weinfestsaison im Spätsommer zu schätzen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Obertürkheimer Kirbe gibt es nicht mehr. Das Weingut Zaiß sowie das Weingut Ruoff sind in die Fußstapfen geschlüpft. Nur in Wangen und Hedelfingen blieb bislang die Tradition erhalten, dass die 20-Jährigen – mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr und der Wengerter – die Kirbe ausrichten. „Dieses Jahr hat sich leider kein Jahrgang gefunden“, sagt Renate Markgraf, Wangens stellvertretende Bezirksvorsteherin. Stattdessen haben sich Kirbejahrgänge der vergangenen drei Jahre zusammenges chlossen. „Sie wollen als Kirbe-Allstars das Fest wie gewohnt organisieren“, sagt Rolf Schlimm, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr. Die Kirbezeitung sei in Arbeit, Birken werden aufgestellt, ein Riesentrauben wird gebunden, der am Kirbesonntag durch den Ort getragen und aufgetanzt wird. „Zudem planen die Jugendlichen eine Disco in der Kelter“, erzählt Schlimms Stellvertreter Jan Dalferth.

 

Auch in Hedelfingen hat sich dieses Jahr kein aktueller Kirbejahrgang gefunden. „Stattdessen springen Mitglieder der Jahrgänge der vergangenen zehn Jahre in die Bresche“, sagt Melanie Krautter. Ein Trio stellte ihr Konzept den Hedelfinger Bezirksbeiräten vor. In aller Eile trugen sie die Informationen für die Kirbezeitung zusammen. Auch sie werden an der Tradition der Kirbetraubens, des Umzugs und des Auftanzens festhalten. „Uns hat die Kirbe Spaß gemacht, der Brauch darf nicht verloren gehen“, meinten die Drei. Hedelfingens Bezirksvorsteher Kai Freier ahnt jedoch, dass es für die 20-Jährigen immer schwieriger werden wird, das Fest zu organisieren.

Die Gründe sind vielschichtig

Die Gründe sind vielfältig. „Viele 20-Jährige haben bereits ein Studium oder eine Ausbildung begonnen und wohnen gar nicht mehr in Hedelfingen.“ Zudem seien viele gar nicht mehr so stark mit dem Leben im Stadtteil verwurzelt, wie es die Gleichaltrigen vor Jahrzehnten waren. „Wir waren damals 65 Kirbebuben und Kirbemädle. Unsere Großeltern und Eltern haben größtenteils die Wangener Kirbe erlebt“, sagt Schlimm. Hinzu komme, dass die Jugendlichen heute mehr Freizeitmöglichkeiten besäßen, aber vermutlich auch stärker in den Beruf oder die Ausbildung eingebunden sind. Ihnen fehle oft die Zeit, das Fest mitzugestalten. Denn, auch wenn in Hedelfingen die Freiwillige Feuerwehr und die Weingärtnergenossenschaft den Großteil der Verantwortung und Organisation übernehmen, blieben noch einige Aufgaben für den Kirbejahrgang, sagt Hans Eisele. „Und die Anforderungen und Vorschriften der Stadt an die Festbetreiber haben sich nochmals verschärft“, weiß Hedelfingens Feuerwehrkommandant aus Erfahrung. „Deswegen ist das diesjährige Modell mit erfahrenen und jungen Kirbejahrgängen vielleicht ein Konzept für die Zukunft“, sagt Freier. Es benötige einen Kümmerer, der die Mitglieder des künftigen Kirbejahrgangs frühzeitig anspricht. Aus Datenschutzgründen müsste dies das Bezirksamt übernehmen, so Dalferth. Positiv empfindet er, dass die Jahrgänger mit der Kirbedisco in der Kelter auch Gleichaltrige zur Kirbe locken. „Wir müssen auf Tendenzen in der Jugend achten“, so Schlimm und Dalferth. In Uhlbach scheint das Collegium Wirtemberg eine gute Mischung aus Tradition und neuen Elementen gefunden zu haben. Dieses Jahr wird die 60. Kirbe groß gefeiert. Die Untertürkheimer Vereine und Organisatoren wollen die Kirbe-Pause nutzen, um 2019 mit neuem Konzept den Brauch wieder aufleben zu lassen.