Eine 33-jährige, von ihrem Mann getrennt lebende Frau hat vor dem Amtsgericht gestanden ihren Noch-Gatten und dessen Freundin mit dem Auto angefahren zu haben. In dem Prozess wird der seit längerer Zeit schwelende Rosenkrieg fortgesetzt.

Kirchheim - Nur auf gutes Zureden ihres Verteidigers gibt die Frau nach sechs zähen Stunden Verhandlung zu, was ihr in der Anklage vorgeworfen wird. „Es tut mir leid“, presst die 33-jährige Angeklagte widerwillig und mit zitternder Stimmen zwischen den Lippen hervor. Und sie gibt zähneknirschend zu, was sie gleich zu Prozessbeginn vor dem Amtsgericht Kirchheim per Erklärung ihres Anwalts vehement abgestritten hat. Sie räumt nun ein, am frühen Morgen des 1. März vergangenen Jahres im Zuge eines Streits der Begleiterin ihres von ihr getrennt lebenden Mannes mit dem Auto über den Fuß gefahren zu sein und anschließend den vor dem Fahrzeug stehenden Noch-Gatten auf die Motorhaube geladen – sie sagt „angeboxt“ – zu haben.

 

Letztlich zahlen sich das späte Geständnis und der Anflug von Reue für die Angeklagte aus. Denn unter diesen Voraussetzungen wird das Verfahren gegen sie eingestellt, wenn sie 1500 Euro Schmerzensgeld an die 27-Jährige und rund 415 Euro Entschädigung an ihren ungeliebten Mann zahlt. Ansonsten hätte ihr eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung gedroht. Denn immerhin erlitt die 27-Jährige eine schwere Fußprellung und der 47 Jahre alte Mann trug Hämatome an den Oberschenkeln davon.

Der achtjährige Sohn muss den Streit miterleben

Die angeklagten Straftaten sind nur der Gipfel eines seit fast zwei Jahren tobenden Rosenkriegs, dem nun vor einem Strafgericht eine weitere Schlacht hinzugefügt worden ist. Es geht um Geld, um Macht und um verletzte Gefühle – in erster Linie aber um das Sorge- und Umgangsrecht für den gemeinsamen Sohn. Denn der heute Neunjährige, dem eine vom Anwalt der Mutter in Erwägung gezogene Aussage vor Gericht nun erspart bleibt, ist das eigentliche Opfer des tiefen Hasses, den seine Eltern offenkundig füreinander empfinden.

Der damals acht Jahre alte Junge hat die Auseinandersetzung in jener Nacht miterlebt. An ihm war während des nächtlichen Gewaltausbruchs auf offener Straße buchstäblich von beiden Seiten gezerrt worden, weil wieder einmal ein Streit über das Umgangsrecht entbrannt war. Wie oft und wie lange der Vater sein Kind sehen darf, beschäftigt das Familiengericht und das Jugendamt schon seit längerer Zeit, eine Einigung konnte bisher nicht getroffen werden. Und im Kampf um das Kind scheinen Mutter und Vater jedes Mittel recht zu sein. Die Angeklagte behauptet beispielsweise, ihr Mann pflege regen Kontakt zu Prostituierten, was er vor dem Sohn nicht verberge. Auch der 27-jährigen Osteuropäerin, die wenige Stunden vor der Tat am Flughafen angekommen war, unterstellt sie, ihr Geld im horizontalen Gewerbe zu verdienen. Als ihr Mann seine Freundin dort abholte, tauchten die Angeklagte und ihr neuer Lebensgefährte – ein ehemaliger Freund ihres Mannes – am Terminal auf und es kam zur ersten unschönen Szene des Abends. Der Mann beschuldigt seine Frau unter anderem, seinen E-Mail-Account geknackt zu haben, ihn und seine Freundin beim Sohn schlecht zu machen und beim Jugendamt anzuschwärzen.

Richterin handelt zum Wohl des Kindes

Nach Ansicht der Oberstaatsanwältin wird vor dem Amtsgericht „dreckige Wäsche gewaschen, die eigentliche in eine andere Waschmaschine gehört“. Der Strafprozess sei dafür „nicht der richtige Ort“, befindet auch die Vorsitzende Richterin Franziska Hermle-Buchele. Die Angeklagte habe freilich Grenzen überschritten, dennoch werde das Verfahren eingestellt. Damit komme sie als Richterin ihrer Aufgabe nach, „das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu stellen“. Und sie appelliert an die Eltern, dies ebenfalls zu beherzigen.