Ein neues betreutes Mutter-Kind-Projekt der Stiftung Tragwerk in Kirchheim hilft den Bewohnerinnen, selbstständig zu werden. Die Wohngemeinschaft bietet vier Müttern mit ihren Kindern Platz.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Kirchheim - Mit seinem Kuschelfrosch in der Hand läuft Neo ins Wohnzimmer, klettert aufs Sofa, hüpft ein wenig darauf herum, lehnt sich an seine Mama Simona (Namen geändert). Erst vor wenigen Wochen sind die beiden in diese Wohnung der Stiftung Tragwerk in Kirchheim eingezogen, doch der Zweijährige fühlt sich offensichtlich schon so richtig Zuhause. Das betreute Mutter-Kind-Wohnen ist für vier Frauen mit ihren Kindern ausgelegt. Simona ist Ende Dezember eingezogen. Sie ist froh, einen der vier Plätze bekommen zu haben. „Eine eigene Wohnung traue ich mir noch nicht zu“, sagt die 19-Jährige.

 

Neo, der kurz vor ihrem 17. Geburtstag auf die Welt kam, war ganz und gar nicht geplant. Als sie erfahren hatte, dass sie schwanger ist, hat sie sich erst mal dreieinhalb Stunden im Bad eingeschlossen und geweint, das erzählt die junge Frau ganz offen. Von dem Kindsvater war sie schon wieder getrennt. Eine Abtreibung sei aber nie für sie in Frage gekommen. Sie hofft, dass ihr aufgeweckter Sohn „nicht in eine Schublade gesteckt“ wird, nur weil er eine junge Mutter hat. So wie sie sich selbst oft zu unrecht in einer Schublade gefühlt hat.

Es geht darum, die jungen Frauen zu bestärken

Simona war viereinhalb Jahre, als sie in eine Pflegefamilie kam, mit 13 kam sie in eine betreute Wohngruppe. Auch keines ihrer sieben Geschwister sei bei der psychisch kranken Mutter groß geworden, erzählt sie. Simona will es anders machen, besser. Und die Stiftung Tragwerk, die einen bestärkenden Ansatz verfolgt, will ihr dabei helfen. Das Projekt soll sie und die anderen Mütter befähigen, selbstständig in einer eigenen Wohnung zu leben. Sechs Sozialpädagoginnen sind im Wechsel 15 Betreuungsstunden in der Woche vor Ort. Sie helfen, Anträge zu stellen, begleiten die Frauen zum Arzt, stehen mit Rat und Tat zur Seite und spiegeln dabei vor allem eines den Müttern sofort wider: alles, was sie gut machen. Es gehe darum zu bestärken, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Tragwerk, Jürgen Knodel. Er hofft zudem, dass sich die Mütter darüber hinaus gegenseitig unterstützen und voneinander lernen.

Im vergangenen November konnte die Wohnung angemietet werden. Noch befinden sich die drei Mütter in der Kennenlernphase, bald sind sie komplett. Eine Schwangere zieht in wenigen Wochen ein. Eine von Simonas Mitbewohnerinnen, Melanie, sitzt jetzt mit ihrem schlafenden, frisch gefütterten Baby ebenfalls im Wohnzimmer auf dem Sofa. Ihr Mädchen ist erst zwei Monate alt. Tagsüber ist sie ein Säugling wie aus dem Bilderbuch, nur nachts, da kommt die Unruhe. Melanie glaubt, ihre Tochter spürt, dass sie angespannt ist. Die 21-Jährige würde lieber schon jetzt in einer eigenen Wohnung alleine wohnen. Aber ihre Bleibe wurde ihr gekündigt, sie hat nichts Neues gefunden, zog zurück zu ihren Eltern, wo sie sich mit ihrer jüngsten Schwester das Zimmer teilte. Die elterliche Wohnung sei zu klein, beschied die Jugendhilfe. Melanie ist das älteste von vier Kindern. Vor drei Wochen ist sie in die Wohngemeinschaft eingezogen.

Auch mal an sich denken

Das Leben mit Baby macht ihr keine Angst. „Ich habe meine Geschwister großgezogen“, erzählt sie, ihre Eltern hätten damals noch viel getrunken. Sogar zu den Elternabenden sei sie gegangen. Doch sie klagt nicht. Ihre Familie, sagt sie, sei ihr sehr wichtig. Aber, das hat sie inzwischen von ihrer Sozialpädagogin aus dem Wohnprojekt, Katja Kipke, gelernt: „Sie muss jetzt lernen, die Verantwortung gegenüber ihren Eltern loszulassen.“ Auch mal an sich denken. Nicht immer springen, sobald sie gerufen wird.

Insofern ist auch sie, die selbstständig wirkende junge Frau, hier richtig aufgehoben. Noch braucht sie den Schutzraum. „Es ist schwer für mich, nein zu sagen“, räumt sie ein. Auch Melanie will es anders machen als ihre Eltern. „Ich will mit meinem Kind über alles reden – und es soll mit mir über alles reden können.“ Das sei in ihrem streng katholischen Elternhaus anders gewesen. Und etwas weiß sie jetzt schon sicher: „Ich werde selbst zu den Elternabenden gehen.“