16,8 Millionen Euro investiert der Zweckverband in das Klärwerk Talhausen, um Schmutzwasser noch besser zu reinigen. Für die Verbraucher in mehreren Strohgäu-Kommunen hat das Folgen.

Das Gruppenklärwerk Talhausen bekommt eine vierte Reinigungsstufe. Dafür haben sich die Gemeinderäte der Zweckverbandskommunen Eberdingen – hier ist der Ortsteil Hochdorf an das Klärwerk angeschlossen –, Schwieberdingen, Markgröningen, Korntal-Münchingen – hier ist Münchingen angeschlossen – und Hemmingen ausgesprochen.

 

Arzneimittelrückstände, Hormone und Mikroplastik

Der zusätzliche Reinigungsprozess ermöglicht es, Spurenstoffe wie Arzneimittel-, Röntgenkontrastmittel-, Wasch- und Reinigungsrückstände, Mikroplastik und Hormone aus dem Abwasser weitgehend zu entfernen. Talhausen reinigt das Abwasser von rund 35 000 Menschen, aber auch Regenwasser, das sich in den Ortskanalisationen sammelt. Das saubere Wasser fließt danach in die Glems. Umso wichtiger ist es deshalb, dass das gereinigte Wasser möglichst wenig Rückstände enthält.

Was seinen Preis hat: Die vierte Reinigungsstufe zu bauen, kostet 16,8 Millionen Euro. Den Betrag teilen sich die Kommunen. Korntal-Münchingen und Hemmingen zahlen jeweils etwa 2,3, Markgröningen zahlt fast vier, Schwieberdingen gut 4,3 Millionen, Eberdingen etwa 960 000 Euro – was wiederum Folgen für die Bürgerinnen und Bürger hat: Mit den Betriebs- und Kapitalkosten steigt die Abwassergebühr um rund 54 Cent pro Kubikmeter. Bezogen auf den Pro-Kopf-Trinkwasserverbrauch von 47 Kubikmetern ergibt sich damit eine Erhöhung der jährlichen Abwassergebühr um gut 25 Euro pro Person. Eine vierköpfige Familie zahlt künftig also 100 Euro mehr im Jahr.

Finanzspritze aufgrund Freiwilligkeit

Laut dem Zweckverbandsrechner und Markgröninger Kämmerer Klaus Schmelzer steigen die Gebühren Schritt für Schritt in den Jahren 2024 bis 2026, wenn die neue Reinigungsstufe entsteht. Eine Erhöhung um 40 Prozent sei „heftig“, findet der Hemminger Gemeinderat Jörg Haspel (Freie Wähler) trotzdem. Er sieht das Projekt kritisch, stimmte letztlich aber zu – weil Hemmingen bei der vierten Reinigungsstufe kein Vorreiter sei, sondern bereits andere Kläranlagen im Land damit ausgerüstet seien.

Der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU) hat zuvor betont, dass die Aufgabe noch freiwillig sei, weshalb das Land Fördermittel von fast drei Millionen gibt. Werde der Bau der vierten Reinigungsstufe erst mal Pflicht, falle die Finanzspritze weg. Walter Bauer, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, bat die Verwaltung, aufzuzeigen, welche Möglichkeiten bestehen, die Verbraucher an anderer Stelle zu entlasten – „wohlwissend, dass der Spielraum gering ist“.

Baubeginn im zweiten Quartal 2024

Der Abwasserzweckverband ging im Jahr 2021 im Rahmen der Machbarkeitsstudie von Projektkosten von rund zehn Millionen Euro aus. Die dann stiegen und stiegen. Der Kämmerer Schmelzer erklärte das mit der gesamtwirtschaftlichen Situation, den allgemeinen Baupreissteigerungen, mit Lieferengpässen und neu hinzugekommenen Anlageteilen wie die Photovoltaikanlage und die Stromversorgung. Untersucht wurden zehn Varianten, die Wahl fiel auf die wirtschaftlichste Option.

Klaus Schmelzer merkte an, dass durch den Bau ein hoher Bedarf an Strom anfalle. Jedoch sei in der Vergangenheit der Energieverbrauch der Kläranlage um ein Drittel gesunken. Der Verbandsrechner erwartet eine Förderzusage frühestens jetzt im Mai. „Es sieht gut aus“, meinte er, andere Kommunen seien weniger weit mit ihrer Planung. Sobald der Förderbescheid vorliegt, sollen die nächsten Planungsleistungen und der Baubeschluss in einer Verbandsversammlung beschlossen werden. Es folgt die weitere Planungs- und Ausschreibungsphase bis zum ersten Quartal nächsten Jahres, damit im zweiten Quartal der Bau beginnen kann.

Im Zeichen des Umwelt- und Naturschutzes

Hemmingens Bürgermeister sagte, der Bau der vierten Reinigungsstufe sei beim Umwelt- und Naturschutz ein Baustein. Unterhalb der Glems-Einleitung werden dem Zweckverband zufolge zahlreiche gesetzliche Schutzgebiete durchflossen. Der Abwasseranteil in der Glems betrage durch die Einleitung der Kläranlagen Leonberg, Ditzingen und Talhausen deutlich mehr als 50 Prozent, im Sommer sogar mehr als 75. Das Landratsamt Ludwigsburg habe Talhausen als Kläranlage mit hoher Priorisierung für eine Spurenstoffelimination eingestuft. Es sei notwendig, die Gewässerqualität an der Glems zu verbessern, um dem – nach der Wasserrahmenrichtlinie geforderten – ökologischen Zustand näherzukommen.

Die vierte Reinigungsstufe beschäftigt Bürgerinnen und Bürger seit Jahren: Anno 2019 bekam der damalige Umweltminister im Land, Franz Untersteller (Grüne), eine Online-Petition überreicht. Mehr als 48 000 Menschen forderten, die Reinigungsstufe verbindlich in Deutschland einzuführen. Aktuell haben sie im Südwesten 25 Anlagen, bei weiteren 27 wird sie gerade gebaut oder geplant. Damit gehöre Baden-Württemberg bundes- und europaweit zur Spitze. Franz Untersteller betonte damals, der in der Abwasserverordnung verankerte Stand der Technik werde von den meisten der landesweit etwa 900 Anlagen „sogar übertroffen“.