Für mindestens 10,7 Millionen Euro wird die Kläranlage über einen Zeitraum von fünf Jahren saniert und auf den neuesten Stand gebracht.

Leonberg - Es ist grün und ruhig. Gelegentlich rauscht die S-Bahn vorbei. Die Radfahrer strampeln gemütlich an der Glems entlang. Doch plötzlich stehen sie vor einem großen Tor. Über eine kleine Brücke geht der Radweg rechts herum vorbei an der Anlage im Tal. Nur ab und zu verrät ein Windhauch, dass hier kurz vor der Gemarkungsgrenze zu Ditzingen die Abwässer der Stadt Leonberg geklärt werden. „Als ich 1992 bei der Stadt Leonberg angefangen habe, gab es noch fünf Kläranlagen. Die vier übrigen waren im Mahdental, in Warmbronn, im Ramtel und an der Felsensägmühle. Eine in Gebersheim war zu diesem Zeitpunkt schon geschlossen“, erinnert sich Manfred Schmickl, der im städtischen Tiefbauamt für die Stadtentwässerung zuständig ist, sich aber auch um viele Dinge rund um die Glems kümmert.

 

10,7 Millionen Euro sind nötig

Ende des nächsten Jahres geht Schmickl in den Ruhestand. Bis dahin hat er aber noch alle Hände voll zu tun. Mehrere große Investitionen sind in den vergangenen Jahren angeschoben worden, weitere stehen bevor. Und beim Thema Kläranlage geht es oft gleich in die Millionen. Schmickl und Joe Russell, der Betriebsleiter der Stadtentwässerung, haben dabei mit zwei verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen.

Vorgeschrieben: Ein Rettungsring in der Kläranlage. Foto: LKZ/Otto
Zum einen sind die europäischen Standards an die Abwasserreinigung verschärft worden, es muss also nachgerüstet werden. Zum anderen hat die Kläranlage im mittleren Glemstal ein gewisses Alter erreicht, es sind also auch Sanierungen notwendig. Mindestens 10,7 Millionen Euro werden dafür fällig über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren. Für 2,4 Millionen Euro wurden bereits in diesem und dem vergangenen Jahr zwei Projekte umgesetzt, weitere sind in Planung.

Viel Abwasser durch die Industrie

Knapp über 49 000 Einwohner hat Leonberg derzeit. Die Anlage im Höfinger Täle ist ausgelegt für 90 000 Einwohner. „Die Belastung richtet sich nicht nur nach den Einwohnern, sondern generell nach der ankommenden Schmutzfracht. Da tragen auch die Industrie, das Gewerbe und so weiter dazu bei“, erklärt Joe Russell. Aber auch durch Starkregen muss die Anlage immer öfter größere Mengen auf einmal bewältigen, weshalb jüngst eine zusätzliche Nachklärung fertiggestellt wurde.

Gereinigt wird in mehreren Stufen. „Das Wasser wird zuerst im mechanischen Teil von allen Feststoffen befreit. Das geschieht über zwei Becken, in denen sich diese setzen sollen“, erklärt Russell. Er ergänzt: „Danach folgt der biologische Teil mit dem zentralen Belebungsbecken und den Nachklärungen.“

Mikroplastik und Medikamentenrückstände

Dieser Teil wird demnächst noch erweitert um eine sogenannte Spurenstoffelimination. „Das Thema Medikamentenrückstände wird ja gerade stark diskutiert“, verweist Manfred Schmickl auf die Aktualität. Bislang können in der Kläranlage keine derartigen Inhaltsstoffe entnommen werden. Ein neuer Filter hat den zusätzlichen Nebeneffekt, die Mikroplastikbelastung der Gewässer zu reduzieren. Gleiches gilt bei chemischen Rückständen, wie etwa von Medikamenten. Da deren Zahl so groß ist, werden bestimmte Inhaltsstoffe gezielt gefiltert, beispielsweise die des Schmerzmittels Diclofenac.

Neues Becken und neue Zufahrt

Ruhig und idyllisch liegt die Kläranlage im Glemstal. Blick vom Faulturm. Foto: factum/Simon Granville
Zu den weiteren Stoffen, die im Leonberger Abwasser zu finden sind, gehören etwa Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft, Flammschutzmittel aus der Industrie, aber auch Kontrastmittel aus der Medizin, wie sie im Krankenhaus eingesetzt werden. Auch die sollen künftig stärker herausgefiltert werden.

Was dagegen bereits sehr gut funktioniere, sei die Stickstoffentfernung. „Bei der Nitratkonzentration ist der Wert im geklärten Abwasser so weit unten, das er niedriger ist als bei einem herkömmlichen Mineralwasser“, sagt Manfred Schmickl von der Stadt Leonberg. Ein weiteres aktuelles Thema ist die Phosphor-Rückgewinnung, die in Zusammenhang mit der Klärschlammentsorgung geschieht. „Phosphor ist ein begrenzter Rohstoff, also warum sollte man den nicht recyceln“, sagt Manfred Schmickl. Auch die Phosphor-Elimination steht auf der Aufgabenliste. „Mit unserer derzeitigen Anlage schaffen wir den neuen Schwellenwert nicht. Der liegt bei 0,1 Milligramm pro Liter im Ablauf“, also dem, was wieder in die Glems geleitet wird, erklärt Joe Russell.

Ersatz für die biologische Klärung

Das größte Projekt, das in den kommenden Jahren ansteht, ist die Erneuerung der sogenannten Biologie. Nach der mechanischen Klärung des Wassers folgt die biologische. Hier werden mithilfe von Mikroorganismen im Wasser gelöste Stoffe in feste Stoffe umgewandelt, die sich dann absetzen. Das dazugehörige Belebungsbecken ist in die Jahre gekommen, eine Untersuchung durch ein Fachbüro geht von Schäden am Beton aus, die dringend behoben werden sollten.

Joe Russell leitet die Kläranlage im Glemstal. Foto: LKZ/Otto
Wie groß die Schäden sind, ob auch Wasser austritt, konnte dabei nicht festgestellt werden. „Das ist unser einziges Belebungsbecken, es ist das Kernstück der Anlage. Das können wir nicht einfach stilllegen“, erklärt Manfred Schmickl von der Stadt. Deshalb muss vor der eigentlichen Sanierung ein Ersatzbecken gebaut werden, das später weiter genutzt wird. Für den genauen Ablauf und das geeignetste Verfahren wird derzeit ein Fachplaner gesucht.

Neue Zufahrt notwendig

Bevor es aber überhaupt losgehen kann, muss auch die Zufahrt zur Kläranlage über das Reiterzentrum Tilgshäusle ausgebaut werden. Bislang gibt es dort nur eine kleine Brücke. Derzeit wird noch erarbeitet, ob es einen Ersatz oder gar eine ganz neue Trasse geben soll. „Die Anlage liegt nun mal da, wo sie liegt: im Tal an der Glems, am Radweg, im Wald, an der Gemarkungsgrenze und ist dazu räumlich beschränkt. Wir werden mit diesem Thema im Gremium aber sensibel umgehen“, verspricht Baubürgermeister Klaus Brenner.