Nach dem juristischen Erfolg von Verdi ist in Ludwigsburg eine absurde Situation entstanden: Niemand weiß, ob der verkaufsoffene Sonntag an diesem Wochenende stattfinden darf. Die Stadt scheut eine Absage – und Verdi droht erneut.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Die Uhr tickt, die Zeit wird knapp – und die Verwirrung ist perfekt. Wer die Internetseite des Breuningerlands aufruft, wird von einer hübschen Dame empfangen, die im kessen Hut für den verkaufsoffenen Sonntag am 7. April wirbt. Von 13 Uhr bis 18 Uhr ist die Shoppingmall am Stadtrand geöffnet, heißt es, ebenso wie Ikea und ein paar andere Geschäfte im Umfeld. Flankiert wird das Ganze wie immer von einer Oldtimersternfahrt zum Breuningerparkplatz.

 

So steht es im Netz, und wenn es dumm läuft, muss all das noch abgesagt werden. „Es wäre das Worst-Case-Szenario“, sagt der Breuningerland-Manager Jan Tangerding. Veranstaltungen mit mehreren zehntausend Besuchern zu streichen, ist schon logistisch eine Herausforderung. In diesem Fall besteht wegen der kurzen Zeitspanne überdies die Gefahr, dass viele Menschen davon nichts erfahren und vor geschlossenen Türen stehen – womöglich nach längerer Anreise, denn verkaufsoffene Sonntage locken Kunden aus der ganzen Region an. Was dann auch für die Stadt ein Fiasko wäre, die den Shoppingsonntag mitsamt Sternfahrt einst genehmigt hatte.

Für Shoppingsonntage gelten enge Grenzen

Das Urteil, dass der Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Mittwoch veröffentlichte, ist ein Einschnitt für den Einzelhandel: im Land generell und speziell in Ludwigsburg. Die Mannheimer Richter haben, nach einer Klage der Gewerkschaft Verdi, den Sonntagsverkauf im Breuningerland für unrechtmäßig erklärt. Zwar bezieht sich dies auf zurückliegende Veranstaltungen, aber aller Voraussicht nach sind damit alle Shoppingsonntage auf dem Tammerfeld nicht mehr genehmigungsfähig.

Überraschend kommt das nicht. Grundsätzlich ist der Sonntag arbeitsfrei, für Ausnahmen hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig schon vor längerer Zeit enge Grenzen gezogen. Sonntagsverkauf ist demnach nur als Annex zu größeren Veranstaltungen, etwa traditionsreichen Festen, erlaubt. Das Fest muss im Mittelpunkt stehen und als eigenständiger Publikumsmagnet funktionieren. Genau das, rügt der VGH jetzt, sei in Ludwigsburg nicht gegeben. „Alibiveranstaltungen, die lediglich dazu dienen, einen Vorwand für eine Sonntagsöffnung zu schaffen, sind unzulässig“, erklärt das Gericht, das die Oldtimerfahrt als eine solche Alibiveranstaltung einstuft.

Verdi hat zahlreiche Städte verklagt

Für Verdi ist das Urteil ein Sieg auf ganzer Linie. Die Gewerkschaft hat – mit wechselndem Erfolg – Städte in ganz Deutschland wegen des Sonntagsverkaufs verklagt. Nach eigener Aussage will sie damit Mitarbeiter im Einzelhandel vor der Mehrbelastung schützen. „Wir freuen uns“, sagt der Bezirkschef Cuno Brune-Hägele. „Und wir sind gespannt, wie Ludwigsburg und das Breuningerland jetzt reagieren.“

Dass es 2020 einen Shoppingssonntag im Breuningerland geben wird, ist nahezu ausgeschlossen. „Die Richter haben die Hürde so hoch gelegt – das wird für den Einzelhandel sehr schwierig“, sagt Tangerding. Aber was passiert an diesem Wochenende – also mit einer Veranstaltung, die von langer Hand geplant wurde? Er gehe „vorsichtig davon aus“, dass die Läden öffnen werden, so Tangerding.

Für Ludwigsburg kann die Sache zum Fiasko werden

Auch die Stadt als Genehmigungsbehörde war am Donnerstag nach Rücksprache mit ihren Juristen nicht gewillt, Sternfahrt und Shopping abzublasen. Man ist im Rathaus überzeugt, ein Schlupfloch gefunden zu haben: Das Mannheimer Urteil ist nicht rechtskräftig, bis geklärt ist, ob das Bundesverwaltungsgericht eine Revision zulässt. Das kann vier Wochen dauern, und in diesem Zeitraum sieht sich die Stadtverwaltung nicht in der Pflicht, zu handeln. Und damit kommt es jetzt zum Showdown.

Denn Verdi will, dass das Urteil sofort umgesetzt wird, und die Ladenöffnung am 7. April notfalls mit einem Eilantrag verhindern. „Wenn die Stadt nicht selbst aktiv wird, werden wir handeln“, sagt Brune-Hägele. Was zur Folge haben könnte, dass die Entscheidung sogar erst am Samstag fällt.

Entscheidung erst in letzter Minute?

Das Rathaus weiß um das Risiko, hält es aber für kalkulierbar. 2017 hatte Verdi schon einmal, zwei Wochen vor einem umstrittenen Shoppingsonntag, einen Eilantrag eingereicht – und war gescheitert. Diesmal ist die Frist noch deutlich kürzer, und die Stadt hofft, dass das Gericht dies berücksichtigt. Ein weiteres Argument sei, dass die Geschäfte bereits Geld investiert hätten, etwa in die Werbung, sagt der Stadtsprecher Peter Spear. Auch deshalb halte man den angedrohten Eilantrag für wenig erfolgversprechend.

Es bleibt spannend, vielleicht bis zur letzten Minute, und auch für die etwas fernere Zukunft bietet das Thema genug Konfliktpotenzial. Verdi hat angekündigt, bald auch gegen die zwei Shoppingsonntage in der Ludwigsburger City zu klagen. „Wir prüfen gerade, wie wir in dieser Sache weiter machen“, sagt Brune-Hägele.