Klaus Wanninger ist der erfolgreichste Krimiautor Schwabens – im neuen Roman geschieht das Verbrechen in der Liederhalle.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - Er hat schon mindestens zwei Dutzend Morde begangen - dabei ist Klaus Wanninger ein Mann mit Skrupeln. Er tritt bescheiden auf, und er tut etwas, was selten geworden ist in unserer Zeit: Er denkt zuerst nach, bevor er spricht. So entstehen Pausen, die seinen Worten zusätzliches Gewicht verleihen. Tatsächlich ist der Widerspruch zwischen triebhafter Kriminalität und aufrechtem Gewissen nur scheinbar.

Auf der einen Seite ist Klaus Wanninger der Autor von mittlerweile zwölf äußerst erfolgreichen Stuttgart-Krimis - mehr als eine halbe Million Exemplare sind schon verkauft. Im neuen Buch "Schwaben-Ehre" wird ein Geschäftsmann während eines Kongresses in der Liederhalle ermordet - der Mann hängt schlaff über einer Toilettenschüssel, wie eine Puppe. Auf der anderen Seite ist Klaus Wanninger mit einem halben Deputat Religionslehrer an einem Gymnasium im Rems-Murr-Kreis. Und er nimmt den Beruf ernst: "Es wäre unverantwortlich, wenn ich den Unterricht zugunsten des Schreibens vernachlässigen würde."

Krimiautor und Religionslehrer - das sind die zwei Seiten einer Medaille. Klaus Wanninger hatte schon 17 Bücher geschrieben, vor allem Reiseführer, als er sich vor etwa zwölf Jahren an seinen ersten Krimi gewagt hat. Das Unbehagen an unserer Gesellschaft stand damals wie heute im Mittelpunkt seines Schreibens: In der Schule sah er, wie viele Eltern aus Stress und Bequemlichkeit die Erziehung ihrer Kinder aufgegeben hatten; er spürte, wie die Kinder durch Internet und Privatfernsehen verdummen; und es schmerzte ihn, dass schon die Kinder immer stärker mit Gewalt konfrontiert werden. "In der Unterstufe gibt es in jeder Klasse fünf Jungs, die verhaltensgestört sind - jeder bräuchte einen eigenen Lehrer", sagt der 56-Jährige.

Spannende Unterhaltung mit philosophischer Botschaft


Gegen dieses Scheitern einer ganzen Generation schreibt er in seinen Krimis an. In sehr subtiler Weise allerdings: Dieses Grundmotiv blitzt in seinen Büchern immer mal auf oder wird erzählerisch eingebunden - blanke Pädagogik findet sich dagegen fast nie. Auch im neuen Krimi streut Wanninger seine Botschaft eher nebenbei. Da entpuppt sich die Prostituierte, auf die alle herabschauen, als ehrlich - während der reiche Bonze den Scheinheiligen mimt und so tut, als sei ihm die demente Tante wichtiger als der Profit.

Das Verbrechen ist für Klaus Wanninger deshalb eher ein Vehikel: Ihm geht es in den Krimis um die Frage, warum so viel Böses in der Welt ist und was das Böse mit den Menschen anstellt - seine Kommissare Steffen Braig und Katrin Neundorf sind sehr menschliche Ermittler, die insgeheim für mehr Gerechtigkeit eintreten.

Aber diese philosophische, wenn nicht gar religiöse Anlage der Bücher ist nur der innerste Nukleus der Krimis, der vielen Lesern gar nicht auffallen dürfte. In erster Linie versteht es Wanninger, spannende Unterhaltung zu bieten, indem er falsche Fährten legt und die Leser an der Nase herumführt. Ins Feuilleton will er gar nicht mit seinen bodenständigen und handgemachten Büchern: "Ich will nicht nur Oberstudienräte als Leser haben", sagt der Lehrer. Deshalb ist ihm wichtig, dass der Preis pro Buch unter 10 Euro bleibt - auch eine Prostituierte soll es sich leisten können.

Stuttgart und die Region sind nicht nur Kulisse


Am meisten gefällt den Krimi-Liebhabern aber wohl das schwäbische Lokalkolorit. Klaus Wanninger war nicht der erste Regionalkriminalist in Deutschland, aber der erste in Schwaben. Und im Gegensatz zu manchen anderen Krimis sind Stuttgart und die Region nicht nur Kulisse. Sorgsam sucht sich der Autor die Schauplätze aus, oft besucht er sie mehrmals zu verschiedenen Jahreszeiten, oft stehen sie in bewusstem Kontrast zur Handlung.

Vor allem aber atmen die Landschaft und die Menschen die schwäbische Seele: Der Pietismus und die Unfruchtbarkeit der Schwäbischen Alb hätten bewirkt, dass der Schwabe vom Naturell her nachdenklicher sei als manche andere Stämme, sinniert Wanninger. Und nach einer Pause fügt er hinzu: "Etwas mehr schwäbische Denkart würde der Gesellschaft nicht schaden." Das sagt, um der Wahrheit die Ehre zu geben, ein Badenser. Klaus Wanninger ist in Karlsruhe geboren und aufgewachsen.

Im Übrigen ist Wanninger nicht der richtige Name des Autors - er wollte seine Tätigkeit als Autor und seine Arbeit als Lehrer strikt trennen. Das hält er heute noch für richtig, auch wenn seine Schüler sein Doppelleben längst kennen. Bis abends 19 Uhr meldet er sich aber selbst am Privattelefon mit dem Pseudonym: "Tagsüber rufen bei mir nur Journalisten oder der Verlag an." Die Wahl des Namens bezeichnet er dagegen als "völlige Dummheit". Das Pseudonym sei zu lang, und es müsste mit A oder B anfangen: "Als Wanninger stehe ich immer ganz unten im Regal der Buchhandlungen. Da findet mich kein Mensch." So viel Geschäftssinn besitzt der Theologe also schon.

Klaus Wanninger: Schwaben-Ehre. KBV-Verlag Hillesheim, 320 Seiten, Preis 9,90 Euro.