In der Senefelderstraße ist Gunter Heck seit 21 Jahren der Herr der Lokomotiven – und pflegt eine Tradition, die allmählich in Vergessenheit gerät.

Stuttgart-West - 60 Regalmeter Bücher, 30 Regalmeter Sonderhefte, 35 Magazine, ein Antiquariat, dazu unzählige Modelleisenbahnen, alles akribisch aufgeteilt in Gleichstrom (links der Kasse) und Wechselstrom (rechts der Kasse): Das Eisenbahnparadies in der Senefelderstraße trägt seinen Namen sicherlich nicht zu Unrecht. Seit 21 Jahren führt Gunter Heck dieses Liebhabergeschäft mit Kennerblick und Präzision, die ersten 20 Jahre in der Leuschnerstraße, seit dem Frühjahr 2017 400 Meter davon entfernt in der Senefelderstraße.

 

Worum es Heck geht, sieht man schon draußen vor dem Laden. Ein Andreaskreuz an der Tür, ein großes Signalschild über dem Laden. Für Heck hat das aber nur symbolischen Charakter. „Laufkundschaft“, meint er in seinem Refugium der Schienen und Loks, „gibt es hier so gut wie keine.“ Dafür andere, die ganz gezielt zu ihm kommen. Überwiegend wegen den „Vorbildloks“ suchen die Kunden das Eisenbahnparadies auf – die richtigen Loks also, die als Vorbild für die Modelle dienen. „Manche aber natürlich auch wegen den Modellen. Oder sie sind nur auf der Suche nach einem Geschenk, wieder andere sind selbst Lokführer und stellen sich die Modelle in die Vitrine, für die sie auch eine Fahrberechtigung haben.“

Die echten Eisenbahner-Fans laufen noch mit Wunschliste ins Geschäft

Über das Internet laufe bei ihm aber nicht so viel, 15 Prozent in etwa. Viel lieber kommen sie mit einer Wunschliste zu Gunter Heck und klappern die ab. Es gibt ja auch viel zu entdecken in diesem Sammelsurium der Schienengeschichte. In einem begehbaren Schaufenster drapiert Heck seine Neuheiten, es gibt Kalender, DVDs mit abgefilmten Fahrten und natürlich Sekundärmaterial zur Lokomotive und ihrer Geschichte. „Von der Straßenbahn bis zum Güterzug ist alles vertreten“, verkündet Gunter Heck ein bisschen stolz. Ihm ist eine akkurate Sortierung ebenso wichtig wie ein gewisses Portfolio für Raritäten – ein Buch etwa über den Nachbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes in Lauffen am Neckar, der die Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs vom eigentlichen Bahnhof ablenken sollte – Codename Brasilien. Da kommt schon einiges an Zugwissen und Schienenbegeisterung zusammen.

Wie bei vielen Kindern fing es auch bei Heck (49) als Bub mit seiner ersten Modelleisenbahn an, die durch den Keller oder Hobbyraum der Eltern zuckelte. Bei ihm hörte diese Begeisterung aber nicht auf; sie wuchs. „Später begann ich mit einigen Kumpels, echten Zügen nachzustellen und sie zu fotografieren.“ Trainspotting nennt man das, ein weit verbreitetes Hobby. „Manche fahren durch ganz Europa, um besondere Züge auf besonderen Strecken zu fotografieren“, erzählt er. „Es gibt sogar WhatsApp-Gruppen, über die man sich auf dem Laufenden hält.“ Wie die Hurricane Hunters in den USA also, nur ungefährlicher.

Seltene Züge gibt es nicht so oft auf dem Markt

Bis heute ist er als Spotter aktiv, legt sich immer noch gern auf die Lauer, um einen seltenen Zug vor die Linse zu bekommen. Ehrensache ist da natürlich, dass er auch selbst gern mit dem Zug fährt. Jeden Tag geht es mit der S-Bahn zur Arbeit, zu besonderen Anlässen darf es auch eine Spazierfahrt mit einer Museumsbahn sein, die zu Feiertagen oder im Advent mal wieder auf die Schienen gehievt wird. „Das ist mittlerweile oft die einzige Möglichkeit, diese Züge überhaupt noch zu Gesicht zu bekommen“, sagt er bedauernd. Modernen Zügen kann er entsprechend wenig abgewinnen.

Nein, es sind eindeutig die alten Züge, die es ihm angetan haben. Durchaus aus nostalgischen Gründen und wegen der viel zitierten „guten alten Zeit“, aber auch aus ästhetischer Sicht. „Züge geben einfach ein tolles Fotomotiv ab“, findet er. „Vor allem, wenn er durch einen Sonnenuntergang oder eine besonders reizvolle Landschaft fährt.“ Eine Fahrt mit der Eisenbahn durch Nordamerika, das wäre mal was für ihn.

Die meisten seiner Stammkunden sind Ü50

Bis es soweit ist, hält er in seinem Eisenbahnrefugium Hof, berät, fachsimpelt und verkauft. Eigentlich hat er ja Werkzeugmacher gelernt, war auch einige Jahre in dem Beruf aktiv. Doch die Züge seien irgendwann einfach wichtiger geworden, sagt er und lacht vergnügt auf.

„Bis 1995 gab es in Stuttgart noch einen anderen Laden, der mit unserem vergleichbar war, aber abgesehen von dem sah es eher mau aus“, erzählt er. „Als der dann schloss, machte ich das Eisenbahnparadies auf, um diese Lücke zu schließen.“ Als einziger in der Gegend kombinierte er das Bahn-Spezialitätengeschäft mit einer Modellbauabteilung.

Klar, die meisten seiner Kunden seien so etwa Mitte 50, da stimme das Klischee mit der ersten Modelleisenbahn in den Sechzigern und dem etwas kauzigen Hobby. Es gebe aber auch einige jenseits der 80 – und natürlich eine Menge Kids, die ihre erste Modellbahn erweitern wollen. Ob also acht oder 80: Der erste Gang, der führt immer zu dem Signalschild vor Gunter Hecks Laden. Und das seit über 20 Jahren.