Die Gruppe „Campus for Future“ fordert mehr Rückendeckung von der Studierendenvertretung der Uni Stuttgart. Dabei geht es auch um die Frage: Wie viel Politik soll an der Uni sein?

Stuttgart - Darf man für Demonstrationen die Schule schwänzen? Darüber wurde im Zusammenhang mit „Fridays for Future“ viel diskutiert. Nun erreicht der Klimastreik die Hochschulen. „Students for Future Deutschland“, die sich selbst als Teil von „Fridays for Future“ sehen, haben bundesweit vom 25. bis zum 29. November zur Bestreikung des regulären Lehrbetriebs der Hochschulen aufgerufen. Statt des regulären Ablaufs sollen in dieser Woche Seminare und Aktionen zur Klimafrage stattfinden.

 

Der Stuttgarter Ableger von „Students for Future“ nennt sich „Campus for Future“. Einer der Organisatoren ist David Kopp. Der 25-Jährige studiert Softwaretechnik an der Uni Stuttgart. Kopp und seine Mitstreiter von „Campus for Future“ haben in Stuttgart vier Veranstaltungen in der Streikwoche geplant. Im Vorfeld der Streikwoche kritisierte Kopp, dass „Campus for Future“ von der Studierendenvertretung seiner Universität nicht stärker unterstützt wird. In dem Konflikt geht es auch um die Frage, wie politisch eine Studierendenvertretung sein sollte.

Konflikt an der Uni Stuttgart – worum geht’s?

„Campus for Future“ hat im Sommer einen Antrag an die Studierendenvertretung der Uni Stuttgart gestellt. Darin fordert die Gruppe, dass die Studierendenvertretung sie generell unterstützen solle und dass ein Email-Verteiler an alle Studierenden von „Campus for Future“ genutzt werden darf, sagte der Vorstandsvorsitzende der Studierendenvertretung Jeremias Hubbauer unserer Zeitung. Über den Antrag wurde noch nicht offiziell entschieden – unter anderem, weil sich die Vertretung erst noch eine Einschätzung der Rechtsabteilung der Uni einholen will.

Der Vorstandsvorsitzende Hubbauer ist sich aber sicher: Die Studierendenvertretung habe kein politisches Mandat, wenn es um allgemeine politische Themen gehe. Hubbauer bezieht sich auf das Landeshochschulgesetz. Darin steht: Aufgabe der Studierendenschaft sei die „Wahrnehmung der hochschulpolitischen (...) Belange der Studierenden“. Aktionen für mehr Klimaschutz sind in Hubbauers Sicht keine Hochschulpolitik. „In dem Moment, in dem wir für eine politische Bewegung Partei ergreifen, geht es über unser Mandat hinaus“, sagt Hubbauer.

Flyer in der Kantine

Im Hochschulgesetz steht zwar auch: Die „Förderung der politischen Bildung und des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins der Studierenden“ gehöre ebenfalls zu den Aufgaben der Studierendenvertretung. Hubbauer verweist darauf, dass die Studierendenvertretung durchaus etwas für mehr Nachhaltigkeit an der Uni tue – aber eben dann, wenn es im Zusammenhang mit Hochschulpolitik stehe.

Zum Beispiel listet das Nachhaltigkeitsreferat der Studierendenvertretung Projekte zu „Green Office“ oder Foodsharing an der Uni auf. Auch für politische Bildung in dem Bereich setzt sich die Vertretung ein, so Hubbauer – etwa mit Flyern zum ökologischen Fußabdruck verschiedener Ernährungsformen in der Kantine. „Ein Aufruf zu einem Streik ist aber keine politische Information mehr, das ist eindeutig Partei ergreifen“, sagt Hubbauer.

Rektorin der Uni Leipzig rief zum Klimastreik auf

David Kopp von „Campus for Future“ sieht es anders. „Wir haben alle Verantwortung für den Klimawandel. Die ganze Studierendenschaft sollte dahinter stehen. Ich nehme es so wahr, dass ähnliche Gruppen an anderen Unis mehr Unterstützung erhalten“, sagt Kopp. Der Student ist als Nachhaltigkeitsreferent selbst Teil der Studierendenvertretung.

Beim letzten globalen Klimastreik, den „Fridays for Future“ Ende September organisierte, hatte beispielsweise die Rektorin der Universität Leipzig laut eines Facebook-Posts der Uni öffentlich zur Beteiligung aufgerufen. So etwas würde sich Kopp auch aus Stuttgart wünschen. Der Rektor der Universität sehe jedoch keinen Anlass dazu, konkret zur Teilnahme an einzelnen Aktionen aufzurufen, sagte ein Sprecher der Universität Stuttgart unserer Zeitung. Die Uni begrüße es sehr, wenn Wissenschaftler sich in gesellschaftliche Debatten einbringen. Aber eine einzelne Initiative konkret zu unterstützen, wäre nicht im Sinne der Gleichbehandlung verschiedener Akteure, so der Sprecher.

„Campus for Future“ sieht sich als hochschulübergreifendes Bündnis

Die Studierendenschaft der Uni hat „Campus for Future“ geraten, einen Antrag auf Anerkennung als offizielle Hochschulgruppe zu stellen. Das würde Vorteile mit sich bringen – etwa, dass die Gruppe dann Infostände auf dem Campus aufstellen dürfte.

Laut David Kopp will „Campus for Future“ solch einen Antrag aber nicht stellen. Das hat mehrere Gründe. „Campus for Future“ sieht sich als hochschulübergreifendes Bündnis in Stuttgart, nicht als Gruppe an einer einzelnen Hochschule. Von derzeit etwa 15 aktiven Mitgliedern studiert laut Kopp etwa die Hälfte an der Uni Stuttgart. Unklar ist somit, ob die formalen Kriterien für eine anerkannte Hochschulgruppe erfüllt werden könnten, weil eben auch Mitglieder anderer Hochschulen dabei sind. Außerdem ist Kopp nicht sicher, ob eine anerkannte Hochschulgruppe zum Streik aufrufen dürfe.

Wie viel Politik ist an Unis gewünscht?

Diskussionen um die Frage, wie politische Debatten an der Uni gelebt werden sollten, gibt es nicht nur in Stuttgart. Welche Rolle fällt den Hochschulen zu? Wie viel Streit müssen sie aushalten? Diese Fragen wurden aufgeworfen, nachdem etwa Demonstranten an der Uni Hamburg die erste Vorlesung von AfD-Gründer Bernd Lucke seit dessen Rückkehr an die Universität verhinderten. Für weitere Diskussionen hatte die Uni Hamburg zudem mit der Entscheidung gesorgt, einen Auftritt von FDP-Chef Christian Lindner auf Einladung der Liberalen Hochschulgruppe zu verbieten.

Auch ein neues Grundsatzpapier des Bildungsministeriums zur Wissenschaftskommunikation nimmt Einfluss auf die Debatte. In dem Papier steht, dass das Ministerium Forscher stärker als bisher dazu ermutigen will, ihre Erkenntnisse der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Wissenschaftskommunikation soll stärker gefördert werden, das Ministerium will Dialog- und Beteiligungsformate unterstützen. Das Papier ist kurz, der Auftrag aber relativ klar: Wissenschaftler sollen nicht in Elfenbeintürmen arbeiten, sondern sich an wichtigen Debatten in der Gesellschaft beteiligen.