Bei dem dreitägigen Klimacamp des Aktionsbündnis Kesselbambule dreht sich vieles um das Thema Klimagerechtigkeit.

Stuttgart - Politische Bildung hört sich auf den ersten Blick eher trocken an. Doch wer an diesem Wochenende durch den Stadtgarten beim Unicampus in Stuttgart schlendert, merkt schnell, dass es durchaus mitreißend und spannend sein kann, in politische und gesellschaftliche einzutauchen. Beim ersten Kesselbambule Klimacamp will ein Bündnis aus zehn Organisationen sowie zahlreichen Kooperationspartnern und Unterstützerinnen mit Aktionen, Workshops und kreativem Protest nicht nur auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen. „Ziel des Events ist es, auf die Dringlichkeit für Klima- und Generationengerechtigkeit hinzuweisen, sich zu vernetzen, gemeinsam in Aktion zu treten und Forderungen durch kreativen Protest in die Öffentlichkeit zu tragen“, sagt Sprecherin Franziska Sander. Nur wenige Monate nach der Rüge des Bundesverfassungsgerichts für die deutsche Klimapolitik haben die Aktivisten in Stuttgart ein Protestcamp aufgebaut.

 

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Das Aktionstraining für zivilen Ungehorsam im großen Zirkuszelt ist schon gut besucht. Eine Organisatorin sucht per Megafon noch drei Leute für den Spüldienst – die rund 500 pro Tag zugelassenen Teilnehmenden bilden sich in Stuttgart nicht nur fort in den drei Tagen, das Camp ist auch selbstorganisiert, vom Aufbau über das tägliche Kochen von veganem Essen bis hin zum Abbau wird solidarisch, basisdemokratisch und herrschaftskritisch zusammengelebt unter Einhaltung der Coronabestimmungen. Für Klimaschutz und Gerechtigkeit wurden bereits in Augsburg, München, Nürnberg sowie Karlsruhe Protestcamps errichtet. Nun wollen sie also in Stuttgart Aufmerksamkeit erregen. Sich Raum schaffen. „Wir freuen uns, den Stadtgarten hier im Zentrum der Stadt drei Tage zum Zentrum der Klimagerechtigkeit zu machen“ sagt Sander.

Camp richtet sich nicht nur an die Politik

Das Aktionsbündnis will vor allem politische Veränderungen, dass die Wirtschaftsstruktur nicht nur auf Wachstum auf Kosten der Ressourcen ausgerichtet ist. „Wir wollen ein gutes Leben für alle“, sagt die Studentin. Aber das Camp richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die Stuttgarter Gesellschaft, die man erreichen will. Sander erzählt von guten Begegnungen mit Passanten schon am Freitagabend. Auch Kesselbambule ist von den Bildern aus Rheinland-Pfalz und NRW betroffen. Für viele Menschen sind die Konsequenzen der Klimakrise und die Zerstörung der Lebensgrundlagen bereits Realität – inzwischen auch in Deutschland.

Kritisiert wird auch die Zustimmung für die IAA

Auf der Rückseite des großen Zeltes hängt ein mächtiges Wimmelbild, in dem sich auf den ersten Blick niedliche Tiere versteckt haben. Auf den zweiten Blick offenbart sich dann der Titel des Werks: True Costs of Coal. Die wahren Folgen des Kohleabbaus sind ebenso Teil eines Workshops wie die Folgen des Klimawandels als Fluchtursache.

In einem kleinen Zelt sitzt eine Gruppe aus München, die sich als Bündnis gegen die geplante Internationale Automobilausstellung (IAA) in der bayrischen Landeshauptstadt formiert hat. Sie kritisiert, dass die Zustimmung für die IAA, für die sich auch Stuttgart beworben hatte, ohne gesellschaftliche und demokratische Kontrolle in nichtöffentlichen Sitzungen des Stadtrates beschlossen worden sei. „Wir wollen uns hier in Stuttgart weiter vernetzen und austauschen“, sagt die 27-jährige Laura. Wie München brauche auch Stuttgart Perspektiven für die Beschäftigten der im Wandel begriffenen Automobilindustrie.