Weil zu viele marode Atomkraftwerke nicht am Netz sind, droht in den kalten Wintermonaten ein Versorgungsengpass

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - In Frankreich drohen im Winter massive Stromausfälle. Um eine mögliche Versorgungslücke zu schließen, sollen zwei Kohlekraftwerke stärker hochgefahren werden als geplant. Dafür sollen die strengen Emissionsvorschriften wieder gelockert werden, die erst zum Jahreswechsel in Kraft getreten sind. Geplant ist, dass die Kraftwerke Cordemais am Atlantik bei Nantes und Saint-Avold im Département Moselle in der Nähe von Saarbrücken im Januar und Februar insgesamt 1000 Stunden am Netz sind. Das ist wesentlich mehr als die vorgesehenen 700 Stunden im ganzen Jahr.

 

Ein empfindlicher Schlag für Macron

Das auch ist ein empfindlicher Schlag für Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Er ist in Europa der vehementeste Verteidiger der Kernkraft, die für rund 70 Prozent der französischen Stromversorgung verantwortlich ist. Das hat im Moment Auswirkungen in der gesamten Europäischen Union. Denn die EU-Kommission hat auf Betreiben von Frankreich Atomkraft als „grüne“ Energie eingestuft, die von Investoren also auch in Öko-Fonds aufgenommen werden kann. Kernenergie soll Europa auf dem Weg in die Klimaneutralität im Jahr 2050 helfen. Umweltschützer laufen Sturm gegen diese sogenannte Taxonomie und versuchen die umstrittene Entscheidung der Kommission doch noch zu kippen.

Alte und marode Kraftwerke in Frankreich

Eines der zentralen Argumente Emmanuel Macrons gegenüber seinen Kritikern ist die Versorgungssicherheit durch Atomkraftwerke. Die ist nun aber in seinem eigenen Land nicht vorhanden. Denn trotz der 56 Atommeiler scheint Frankreich nicht in der Lage, in kalten Wintermonaten alle Haushalte mit Energie zu versorgen. Ein Grund dafür ist, dass viele der AKWs in Frankreich alt sind und gravierende Sicherheitsmängel aufweisen. 15 Kernkraftwerke sind im Moment wegen Störungen oder Wartungsarbeiten ganz abgeschaltet.

AKW wegen Sicherheitsmängel vom Netz

Besonders schwer fällt ins Gewicht, dass erst im Oktober im wichtigen Kraftwerk Civaux Mängel an den Schweißnähten des Sicherheitssystems festgestellt wurden und die Meiler unplanmäßig heruntergefahren werden mussten. Aus Sicherheitsgründen wurde dann das baugleiche AKW in Chooz in den Ardennen ebenfalls vom Netz genommen. Insgesamt kann im Moment in Frankreichs Meilern nur rund 60 Prozent der nominellen Energiemenge produziert werden.

Sehr wenige Windkraftanlagen in Frankreich

Nun rächt sich auch, dass Emmanuel Macron, trotz vielfacher Ankündigungen, den Ausbau alternativer Energiequellen nicht vorangetrieben hat. So sind in Frankreich Windräder mit einer Leistung von knapp 17 Gigawatt installiert. In Deutschland produzieren solche Anlagen deutlich über 60 Gigawatt und machen damit einen erheblichen Anteil an den regenerativen Energien aus. Der geringe Anteil an Windenergie in Frankreich liegt auch an den komplizierten und langwierigen Genehmigungsverfahren und den vielen Klagen gegen die Anlagen. So urteilte ein Gericht am Freitag, dass in Guern, in der Region Morbihan, ein Windpark wegen Fehlern bei der Genehmigung wohl wieder abgebaut werden muss.