Mit gezielten Investitionen ins Schienennetz könnte laut einer neuen Studie der Lkw-Verkehr stark reduziert werden. Dadurch könnte die Klimaschutzbilanz deutlich verbessert werden. Dafür sind aber zusätzliche Milliardeninvestitionen nötig.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Mit einer stärkeren Verlagerung des Frachttransports von der Straße auf die Schiene könnte der von fast allen Politikern geforderte Klimaschutz unterstützt werden. Die Güterbahnen könnten ihren seit Jahren fast stagnierenden Marktanteil bis 2035 auf 35 Prozent fast verdoppeln, was die Schadstoffbelastung durch den Lkw-Verkehr auf den Straßen deutlich mindern würde.

 

Wie das gehen und das 35-35-Ziel erreicht werden könnte, zeigt ein neues Gutachten der Beratungsfirma KCW für den Verband der privaten Güterbahnen (NEE), das unserer Redaktion vorab vorliegt. Der zentrale Vorschlag: Das bundeseigene Schienennetz müsste viel stärker als bisher modernisiert und ausgebaut werden.

Zusätzliche Milliardeninvestitionen nötig

„Wir brauchen ein Klima-Plus-Programm für mehr Güter auf der Schiene“, betont NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger. Mit zusätzlichen staatlichen Investitionen von 4,2 Milliarden Euro ließen sich demnach viele Engpässe im Netz beseitigen. „Das wären im Schnitt überschaubare 280 Millionen Euro pro Jahr“, so Westenberger. 118 Maßnahmen an 91 Strecken werden aufgeführt, die teils enorme Effekte bringen würden. Dabei geht es um meist kleinere Lückenschlüsse im Netz und die Modernisierung und Elektrifizierung von Ausweichstrecken. Auch sollte der Frachtverkehr nach Frankreich, Niederlande, Polen und Tschechien durch Ausbauten gestärkt und so Lkw-Fahrten reduziert werden.

Die Gesamtkosten werden vom KCW-Gutachterteam um Felix Berschin auf 7,26 Milliarden Euro veranschlagt. Davon sind nur Projekte von rund drei Milliarden Euro im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 enthalten. In diesem hat die Bundesregierung alle Verkehrsprojekte aufgelistet, die gebaut werden sollen. Der Plan ist aber seit Jahrzehnten unterfinanziert. Für neue Schienenprojekte gab es zuletzt jährlich nur rund 1,6 Milliarden Euro. Besonders wichtige Vorhaben für mehr Güterverkehr wurden immer wieder auf die lange Bank geschoben. Stattdessen flossen die Mittel vor allem in teure ICE-Strecken und S-Bahn-Linien, die den Frachtbahnen wenig bis nichts bringen.

Wichtiger Korridor

So läuft der viergleisige Ausbau der Rheintalstrecke Karlsruhe-Basel seit mehr als 30 Jahren und könnte erst nach 2040 fertig werden. Dies, obwohl die Strecke der wichtigste europäische Korridor zwischen den Nordseehäfen und dem Mittelmeer ist und andere Länder ihre Kapazitätserweiterungen längst fertiggestellt haben.

Deutschland hinkt hinterher und hat internationale Vereinbarungen nicht eingehalten, was die Nachbarn verärgert, weil mehr Güter als nötig über die Straßen rollen. Zuletzt zeigte die Vollsperrung der Rheintalbahn bei Rastatt nach einem Tunneleinsturz im Herbst 2017, dass leistungsfähige Ausweichstrecken fehlen. Es kam zu Lieferengpässen und einem Milliardenschaden für die Bahnen und die Volkswirtschaft.

Engpässe beseitigen

Für das KCW-Gutachten untersuchten die Experten, wo nach der BVWP-Planung auch nach 2030 noch Engpässe im Netz existieren werden und wie sie sich beseitigen lassen, damit sich der Marktanteil der Güterbahnen bis 2035 verdoppeln kann.

An vorderster Stelle sollte demnach die Strecke Öhringen – Schwäbisch-Hall in Baden-Württemberg stehen, wo auf einer 32 Kilometer langen Strecke Stromleitungen fehlen. Zudem sollten mehrere Strecken in Richtung Tschechien (Nürnberg-Cheb), Holland (Krefeld – Nimwegen), Polen (Angermünde – Stettin) und Frankreich (Wörth – Lauterbourg) elektrifiziert werden. Den Gutachtern zufolge fahren im Grenzverkehr mit Tschechien auf der A 6 (Waidhaus) täglich im Schnitt 6530 Lkw, aber auf der parallelen Bahnstrecke nur 20 Frachtzüge. Bei Görlitz an der Grenze zu Polen stehen 8710 Lkw auf der A 4 nur 40 Züge gegenüber. Und bei Venlo (Niederlande) sind täglich 18 620 Lkw auf der A 40 und A 61 im Grenzverkehr unterwegs, aber nur 75 Güterzüge.

Verkehrsminister will erste Ergebnisse vorstellen

Das NEE hofft, dass die Bundesregierung die Vorschläge aufgreift. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat ein „Schienenbündnis“ organisiert und will am Dienstagabend erste Ergebnisse der fünf Arbeitsgruppen mit Bahnchef Richard Lutz vorstellen.