Die Landwirtschaft ist Opfer und Mitverursacher des Klimawandels. Das bringt eine Reihe an Herausforderungen mit sich. Was das für die Filder bedeutet und was hier im Jahr 2050 wachsen könnte.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Allein die vergangenen vier Jahre haben einen Vorgeschmack auf das geliefert, was Landwirten in Zukunft blüht. Trockenheit durch Hitzewellen, aber auch Ernteschäden durch Starkregenereignisse. Dies betrifft auch die Bauern auf den Fildern. Im Rahmen der Klimawochen in Filderstadt haben sich Experten mit den Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft beschäftigt.

 

Opfer und Mitverursacher

Opfer und Verursacher

Landwirte seien Opfer des Klimawandels, was Folgen habe für die Nahrungsmittelproduktion und damit auch für die Nahrungsmittelsicherheit, sagt die Professorin Regina Birner. Sie hat an der Uni Hohenheim den Lehrstuhl „Sozialer und institutioneller Wandel in der Landwirtschaft“ inne, zudem ist sie auch im Wissenschaftlichen Beirat für Agrar- und Ernährungspolitik. Die Landwirtschaft sei aber nicht nur Opfer, sondern auch Mitverursacher des Klimawandels. „Diese beiden Komponenten muss man zusammendenken“, sagt sie. Nach Schätzungen des Weltklimarates IPCC stamme ein Viertel der globalen klimaschädlichen Emissionen aus der Landwirtschaft, in Deutschland seien es etwa zehn Prozent. Die größten Quellen sind Landnutzung und Tierhaltung.

Die globale Situation

Die globale Situation

Regina Birner betont, wie wichtig es sei, die globale Situation im Blick zu behalten. Denn nur, weil der gute Filderboden nach wie vor erkleckliche Erträge abwirft, reduziert sich das Angebot auf dem Weltmarkt dennoch. Andere Teile der Welt werden von Dürren und Unwettern weitaus schlimmer heimgesucht als die Region auf den Fildern. Hier stelle sich eine Gerechtigkeitsfrage: Entwicklungsländer trügen viel weniger zu den Emissionen bei, hätten aber „eine höhere Einschränkung der landwirtschaftlichen Produktivität“, so Birner. Die Hohenheimer Wissenschaftler würden sich in der Verantwortung sehen, gerade auch in diesen Ländern zu forschen und Menschen von dort in Hohenheim auszubilden.

Trockenheit und Erosion

Trockenheit und Erosion

Auch wenn die Bedingungen für den Anbau von Feldfrüchten auf den Fildern nach wie vor gut sind, so wird es auch hier kaum ohne Anpassungsstrategien gehen. In Zukunft werden die Bauern mehr bewässern müssen, das bringt höhere Kosten mit sich. Auch Mark Raith vom Landwirtschaftsamt des Kreises Esslingen ist überzeugt: „Wasser wird ein existenzielles Thema.“ Bereits jetzt unterstütze das Land Bauern dabei, allein oder in einer Gemeinschaft eine Bewässerungsinfrastruktur aufzubauen. „Das steigert die Resilienz bei Extremwetterlagen“, so Raith. Der Bernhäuser Landwirt Tobias Briem weist darauf hin, das der Gemüseanbau – auch auf den Fildern – noch nie ohne zusätzliche Bewässerung funktioniert habe. Mehr davon wird es mutmaßlich in Zukunft dennoch brauchen in hitzigen Sommerszeiten.

Ein anderes Thema, um das Bauern in Zukunft – aber teils schon jetzt – nicht mehr herumkommen, ist die Bodenerosion. Bei nie dagewesenen Wolkenbrüchen wie erst Ende Juni haben die Wassermassen auch auf den Fildern vieles fortgeschwemmt. Der Neckar sei an den Tagen nach dem Unwetter braun gewesen, berichtet Raith aus eigener Beobachtung. „Das sind unsere Schätze, unser Gold“, er meint die Ackerböden, die da flussabwärts flossen. Es gebe ein Projekt mit der Uni Hohenheim, das herausfinden soll, wie sich Landwirte vor Erosion schützen können, erzählt er. Dass die Filder noch recht kleinteilig parzelliert seien, sei schon mal von Vorteil in Sachen Erosion, sagt Tobias Briem. Der Bernhäuser ist auch Kreisvorsitzender des Landesbauernverbandes und sieht die größte Herausforderung nicht im Klimawandel, sondern im Flächenfraß. Die fortschreitende Versiegelung im Ballungsgebiet sei das, was die Bauern in ihrer Existenz bedrohe, sagt er.

Landwirtschaft der Zukunft

Landwirtschaft der Zukunft

Was wächst 2050 auf den Fildern? Während der Landwirt Tobias Briem glaubt, dass sich über die Jahre an den Anbausorten nicht sonderlich viel ändern werde, prognostiziert Mark Raith vom Landwirtschaftsamt Nürtingen, dass es möglicherweise mehr Hirse geben könnte, aber vielleicht auch Amaranth; das seien Pflanzen, die Trockenstress gut ab könnten. Generell gelte, dass die Pflanzen, die jetzt im mediterranen Süden wachsen, auch hier Fuß fassen könnten. Letztlich seien dies aber ja nur Modellrechnungen.

Die Wetterextreme zwingen aber, über die Zukunft nachzudenken. Nach drei Trockenjahren in Folge fällt die Prognose der Landwirte in Deutschland für dieses Erntejahr zwar vorsichtig optimistisch aus, allerdings werden die Extremwetterlagen nicht einfach weggehen, sondern nach Einsätzungen von Experten tendenziell zunehmen. Veränderte Fruchtfolgen können eine Möglichkeit sein, darauf zu reagieren, aber auch eine andere Sortenwahl, wie beispielsweise Wintergerste.