Die EU-Kommission hat mit der Aufnahme von Atom und Gas in die Taxonomie dem Klimaschutz einen Bärendienst erwiesen, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Niemand möchte der EU-Kommission Böses unterstellen. Eine so wichtige Entscheidung wie die Klassifizierung von Atom- und Gaskraftwerken als „grün“ in der Silvesternacht kurz vor Mitternacht zu veröffentlichen, wirft allerdings einige Fragen auf. Wieso wird der zentrale Punkt in der sogenannten Taxonomie erst in allerletzter Sekunde präsentiert? Will die Kommission etwas verstecken? Hoffen die Verantwortlichen in Brüssel, dass über Neujahr der erwartete Sturm der Entrüstung zwischen Katerstimmung und guten Vorsätzen einfach verpufft? Durch dieses heimlichtuerische Vorgehen hat die EU-Kommission das allerletzte Vertrauen in die einst so hoch gelobte Taxonomie verspielt.

 

Der tiefe Fall der EU-Kommission

Der Fall ist so tief, weil der Start verheißungsvoll war. Europa soll bis 2050 klimaneutral werden und mit dem Kriterienkatalog hätten ganz neue Standards gelegt werden können. Als Vorbild für die ganze Welt sollten die EU-Staaten gelten. Investoren wäre endlich eine transparente und wissenschaftlich fundierte Richtschnur an die Hand gegeben worden, wie grüne Fonds aufgestellt sein müssen. Die Wirtschaftsmacht EU hätte die Börsen rund um den Globus im Kampf gegen den Klimawandel mit sich ziehen können. Doch daraus wird nichts. Denn nun ist es möglich, dass ein Sparer nachhaltig und zukunftsträchtig in Solarparks oder Windenergie investieren will, sein Geld stattdessen aber in ein Kernkraftwerk fließt. Damit hat die Taxonomie ihren ureigenen Wert verloren.

Gegenüber Frankreich eingeknickt

Die EU ist in diesem Fall gegenüber Frankreich eingeknickt. Viele der alten und maroden Kraftwerke dort müssen saniert werden. Das kostet sehr viel Geld, das für die Betreiber auf dem Markt nun einfacher zu bekommen ist. Zudem dürften einige EU-Fördergelder in die Entwicklung neuer Reaktoren fließen. Deutschland hat allerdings keinen Grund, sich darüber zu erheben. Zwar ist der Ausstieg aus der Atomkraft beschlossene Sache, doch Berlin war maßgeblich daran beteiligt, dass auch Gaskraftwerke in der Taxonomie als „nachhaltig“ eingestuft werden. Die EU-Kommission hat gezeigt, wie eine gute Idee zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen zermahlen werden kann. Das ist eine politische Blamage und für den Klimaschutz ein Bärendienst.