In Europa erobert sich der Wald Flächen zurück. Professor Frank Schurr von der Universität Hohenheim spricht im Interview darüber, warum das nicht jedem gefällt und warum diese Entwicklung aus seiner Sicht trotzdem wichtig ist.

Hohenheim - Wenn Ackerflächen nicht mehr genutzt werden, erobert sich der Wald Territorium zurück. Ein Team der Universität Hohenheim erforscht diese spontane Waldbildung in einem europäischen Verbundprojekt. Frank Schurr, Professor für Landschaftsökologie und Vegetationskunde, hat dabei auch die Erkenntnis gewonnen: Nicht jeder ist von mehr Wald begeistert. Im Interview erklärt er, warum das so ist.

 

An der US-Westküste brennen derzeit riesige Waldflächen, im Hambacher Forst setzen sich Aktivisten gegen dessen Rodung ein. Welche Bedeutung haben Wälder für unsere Umwelt?

Eine sehr große! Wenn man global denkt, spielen Wälder eine wichtige Rolle als Kohlenstoffspeicher, und das ist eben wichtig vor dem Hintergrund des menschengemachten CO2-Anstiegs und des daraus resultierenden Klimawandels. Natürlich spielen Wälder auch eine sehr wichtige Rolle als Lieferant für Holz. Und sie sind eben ein sehr wichtiger Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten.

Die Fläche an Wald in Europa nimmt kontinuierlich zu. Wie kommt es dazu?

Global betrachtet ist es eine Besonderheit. In Westeuropa hat das damit zu tun, dass landwirtschaftliche Flächen, die früher mal genutzt wurden, heutzutage nicht mehr ökonomisch profitabel zu nutzen sind. Und diese Flächen werden aufgegeben, und dann erobert sich der Wald diese Flächen zurück. Das passiert in kleinem Stil auch in Deutschland. Wir sehen das zum Beispiel auf der Schwäbischen Alb, wo ehemalige Schafweiden wieder verbuschen und schließlich zu lockerem Wald werden.

Sie erforschen derzeit an der Universität Hohenheim eine Methode der Wiederaufforstung, bei der die Ackerflächen sich einfach selbst überlassen werden. Was ist das Besondere an der Methode der sogenannten spontanen Waldbildung?

Wir haben in diesem Projekt die Wälder nicht angelegt, sondern diese Wälder sind schon da. Ziel des Projekts war es einfach, das Phänomen dieser spontanen Entwicklung von Wäldern zu untersuchen und auch von der genetischen Ebene bis hin zur Bewertung durch menschliche Gesellschaften zu verstehen.

Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Es gibt die Befürchtung, dass sich solche sich spontan entwickelnden Wälder genetisch arm und schlecht angepasst sein können an die Umweltbedingungen. In unserem Projekt sehen wir, dass das nicht der Fall zu sein scheint. Denn wir finden auch in relativ jungen, sich gerade erst entwickelnden Wäldern eine hohe genetische Vielfalt und durchaus Indizien dafür, dass es auch Variationen gibt in der Fähigkeit von Bäumen, mit Trockenheit umzugehen. Das ist nun relevant im Hinblick auf den Klimawandel.

Sie untersuchen auch, wie die Bevölkerung diesen neu entstehenden Waldflächen gegenübersteht. Was können Sie hier beobachten?

Wir haben Regionen, in denen das stärkere Auftreten von Wäldern durchaus positiv bewertet wird, zum Beispiel im Großraum Barcelona. Dort wird es als Aufwertung von Naherholungsgebieten rund um die Stadt verstanden. Wir haben aber auch andere Gebiete, zum Beispiel in Zentralspanien, wo die Bevölkerung diese zunehmende Bewaldung als ein Indiz für den ökonomischen Niedergang ansieht, weil es ein Anzeichen dafür ist, dass es wegen der Landflucht weniger Landwirtschaft und weniger Viehhaltung gibt.

Mehr als eine halbe Millionen Euro an Forschungsmitteln werden Ihnen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt. Warum lohnt es sich, in dieses Projekt so viel Geld zu investieren?

Ich würde sagen, es gibt zwei Gründe, warum uns diese spontane Wiederbewaldung interessiert. Zum einen, weil wir durch das Studium von sich selbst entwickelnden Wäldern besser verstehen, welche ökologischen und evolutionären Prozesse sich im Wald abspielen. Und daraus kann man dann auch Handlungsempfehlungen für die Forstwirtschaft ableiten. Es ist zum anderen interessant zu sehen, welche Funktion diese Wälder übernehmen können. Denn spontan entstehende Wälder sind letztendlich auch sehr kostengünstig in der Anlage.

Inwiefern sind diese Erkenntnisse denn übertragbar auf die ehemaligen Schafweiden am Rande der Schwäbischen Alb?

Die Distanzen, die von Samen und Pollen überbrückt werden müssen, sind nicht allzu groß. Deshalb kann man durchaus erwarten, dass auf der Schwäbischen Alb eine hohe genetische Vielfalt eingetragen wird. Gleichzeitig muss man auch sagen: Diese Wiederbewaldung ist auf der Schwäbischen Alb nicht unbedingt vom Naturschutz gewünscht, denn eine charakteristische Vegetation dort sind die sogenannten Magerrasen. Und das ist ja nun gerade eine Landschaft, die offen gehalten wird.

Es ist also nicht überall das Ziel, dass sich spontane Wälder bilden?

Genau. Vielleicht gibt es da auch Parallelen zwischen Zentralspanien und der Schwäbischen Alb, wo eben in gleichem Maße die offene Landschaft von Menschen geschätzt wird.