Wer klimaschädliche Treibhausgase produziert, muss in Zukunft bezahlen. In ganz Europa sollen nun verschärfte Regeln für den Emissionshandel eingeführt werden.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die EU stellt im Kampf gegen den Klimawandel die entscheidenden Weichen. Am Dienstag stimmt das Parlament in Straßburg über mehrere Teile des sogenannten Fit-for-55-Pakets ab. Dabei geht es um das Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken.

 

„Wir stehen vor der Verabschiedung des größten Klimaschutz-Gesetzes aller Zeiten“, erklärte der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese am Montag ungewohnt euphorisch. Der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion hat maßgeblich am Herzstück des Pakets mitgearbeitet: der Reform des Emissionshandels (ETS).

Die Idee dahinter ist bestechend einfach. Wer die Luft verpestet, muss dafür bezahlen. Konkret heißt das für die Unternehmen in ganz Europa, dass sie in Zukunft Verschmutzungszertifikate kaufen müssen, wenn sie CO2 ausstoßen. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, weniger klimaschädliche Abgase zu produzieren und in saubere Technik zu investieren.

Der europäische Emissionshandel wurde 2005 bereits eingeführt und deckt bislang etwa 40 Prozent der Emissionen ab. Bisher sind große CO2-Emittenten wie Strom- und Wärmeproduzenten und Industrieunternehmen dazu verpflichtet, CO2-Emissionszertifikate zu kaufen. Mit der geplanten Reform wird das System auf weitere Wirtschaftszweige wie die Schifffahrt und den EU-internen Flugverkehr ausgeweitet.

Wie passt das deutsche mit dem europäischen System zusammen?

Der Emissionshandel wird auch Auswirkungen auf die privaten Verbraucher in ganz Europa haben. Geplant ist, das System ab 2027 auch auf das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr auszudehnen. So müssen dann etwa auch Lieferanten von Gas oder Benzin Verschmutzungszertifikate kaufen, wodurch sich voraussichtlich der Benzin- und Gaspreis erhöht. Das soll für Privatleute einen Anreiz schaffen, sich zum Beispiel eine Wärmepumpe anzuschaffen oder ein Elektroauto zu kaufen. Allerdings gibt es eine „Notbremse“: Sind die Energiepreise besonders hoch, kann die Einführung des Systems um ein Jahr verschoben werden. Für deutsche Verbraucher dürfte sich in diesem Bereich allerdings wenig ändern, da ein ähnliches Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr in Deutschland bereits seit 2021 gilt. Offen ist, wie das deutsche System, das teils ehrgeiziger als das EU-weite ist, darin integriert werden soll.

Um eventuelle Härten abzufedern, ist auch ein Klimasozialfonds vorgesehen, der ab dem Jahr 2026 greifen soll. Damit sollen die Mehrausgaben für Verbraucher durch die Energiewende abgefedert werden – etwa steigende Heizkosten. Dieser Topf soll 86,7 Milliarden Euro umfassen und durch Einnahmen aus dem Emissionshandel und teilweise durch die Mitgliedstaaten finanziert werden. Damit sollen Haushalte entlastet und Investitionen, zum Beispiel in effizientere Gebäude oder öffentliche Verkehrsmittel, gefördert werden. Der Grünen-Politiker Michael Bloss warnt dennoch vor einer „sozialen Schieflage“. Der Klimasozialfonds reiche nicht aus, kritisiert er. „Wir fordern ein europäisches Klimageld, damit der Green Deal auch ein fairer Deal für die Menschen wird“, sagte der Europapolitiker, zeigt sich aber über die Einigung ähnlich zufrieden wie sein CDU-Kollege Peter Liese. „Die Ära der Gratis-Verschmutzung ist zu Ende,“ betonte Bloss.

Sorgen bei den energieintensiven Unternehmen

Vor allem die Vertreter der energieintensiven Unternehmen sehen die Entwicklung allerdings mit gemischten Gefühlen. Denn der Emissionshandel verteuert schon jetzt die Produktion in Europa. Damit Firmen besser mithalten können mit Rivalen aus Amerika oder Asien, die keine CO2-Zertifikate kaufen müssen, erhalten viele Industriebetriebe kostenlos Verschmutzungsrechte zugeteilt. Das soll verhindern, dass Industrien mit hohen Emissionen abwandern.

Gleichzeitig soll eine Art Klimazoll eingeführt werden. Dieser sogenannte Kohlendioxid-Grenzausgleichsmechanismus – auf Englisch CBAM abgekürzt – ist eine weltweite Premiere. Er soll faire Bedingungen schaffen zwischen EU-Fabriken, die CO2- Zertifikate kaufen müssen, und Werken in Asien, Afrika oder Amerika, die nicht für den Kohlendioxid-Ausstoß zur Kasse gebeten werden. Letztlich sollen Importeure etwa von Stahl, Zement oder Düngemittel CO2-Zertifikate entsprechend der Klimaschädlichkeit ihrer Einfuhren kaufen müssen.