Der Wald im Hitze- und Trockenheitsstress: Im Kirbachtal ist ein ganzer Kiefernbestand gestorben, im Strohgäu gehen Buchen ein, im ganzen Kreis leistet der Borkenkäfer zerstörerische Arbeit. Die Förster kommen kaum noch nach.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Kreis Ludwigsburg - Theo Wöhr ist ein erfahrener Förster. Doch was ihm im vergangenen Herbst zu Augen kam, war ein neues Phänomen. „So etwas war mir nicht bekannt. Jedenfalls nicht bei Kiefern“, sagt er. Erst sah er einzelne rötlich-braune Verfärbungen. Dann trocknete auf 17 Hektar Staatswald zwischen Häfnerhaslach und Zaberfeld quasi vor seinen Augen der Kiefernbestand einfach aus, Schritt für Schritt, von der Krone abwärts. Wäre die Fläche nicht von Mischwald bewachsen, klaffte dort heute eine riesige Kahlfläche. Und 2019 geht das Sterben weiter.

 

Ein neues Phänomen

„Erst dachte ich, es ist vielleicht ein Pilz oder ein neuer Schädling“, erzählt Wöhr. Doch offenbar ist am Kieferntod im Kirbachtal eine Kombination aus Hitze, Trockenheit, Standortbedingungen und sinkender Widerstandskraft schuld. Auf diesem Gelände könne der Boden nur sehr wenig Wasser speichern. „Wenn hier ein kräftiger Gewitterregen runtergeht“, erklärt der Förster, „kommt trotzdem nicht viel bei den Wurzeln an.“ In der Schicht über dem „bockelharten Mergelgestein“ fließe das Wasser zu schnell ab.

Und der Sommer 2018 sei eben nicht nur extrem heiß, sondern auch viel zu trocken gewesen. „Früher“, sagt er, „haben die Bäume so einen Sommer aber weggesteckt.“ Auch die robusten Eichen kamen in Kombination mit den Bodenverhältnissen an ihre Grenzen: Baumkronen vertrockneten, manche Eichen starben ganz ab, andere produzierten verzweifelt kleine Triebe aus dem Stamm, sozusagen als „Ersatzkrone“ für die teils verdorrte Krone.

Das Siechen hält an

Aus den verdursteten Kiefern und anderen Bäumen wurden rund 400 Festmeter Nutzholz. Es liegt zum Teil immer noch aufgestapelt an den Waldwegrändern; auch die Sägereien kommen mit der Arbeit kaum noch nach. Und mit dem Sommer 2018 war es nicht getan: Das Siechen hält an. Auch dieser Sommer war zu trocken, und Baumarten, die vom Vorjahr schon geschwächt waren, konnten sich nicht regenerieren. „Septemberstimmung ist das nicht“, sagt Theo Wöhr und schaut hoch in die Baumkronenlandschaft. „Es ist hier so licht wie im Frühjahr, wenn die Bäume ausschlagen.“ Eine Fortwirtschaftsstudentin widmet dem Phänomen jetzt eine Bachelorarbeit: Sie erforscht, ob es Verknüpfungen zwischen dem Absterben der Wald-Kiefer, Standortfaktoren und dem Baumalter in den Bunten Mergeln im Stromberggebiet gibt.

Dass der Wald zunehmend gestresst und seine Widerstandskräfte schwinden, ist, lässt sich an vielen Stellen im Kreis beobachten, auch wenn die Ursachen variieren. Im Strohgäu, vornehmlich in Wäldern Hemmingen und Ditzingen, sterben flächenweise Buchen, die zum Teil 150 Jahre auf dem Buckel haben. „Und das, obwohl sie teils sehr gute Standorte hatten und teils gar nicht viel Energie in ihre Wurzeln stecken mussten“, sagt Michael Nill, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Forsten im Landratsamt. Womöglich sei den Buchen gerade das zum Verhängnis geworden. In Fachkreisen mache das Schlagwort von der „Verwöhntheorie“ die Runde. Nill und zieht Parallelen zum menschlichen Verhalten: „Auch ein Baum strengt sich ja nicht mehr an, als er muss.“

Das ganze Ausmaß ist noch nicht einschätzbar

Im Stadtwald Vaihingen und im Kirbachtal stürben ebenfalls Kiefern und Buchen, „neuerdings auch Bergahorn durch die Rindenrußkrankheit“, berichtet Nill. Im Raum Marbach/Bottwartal spricht Förster Jürgen Weis vom „Krisenmodus“, den unter anderem das Eschentriebsterben und der Borkenkäfer verursachten.

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Genaue oder gar abschließende Zahlen gebe es für den Landkreis nicht, erklärt Michael Nill. „Die Absterbe-Erscheinungen und der Neubefall von Borkenkäfern an Fichten sind leider immer noch sehr dynamisch. Das ganze Ausmaß der Schäden wird wahrscheinlich erst im Lauf des nächsten Jahres ersichtlich sein.“ Bei den Revierleitern, die teils seit mehr als 30 Jahren mit Herzblut in ihren Wäldern im Dienst seien, sorge die Ballung von Problemen für große Emotionalität.

Keine Untergangsstimmung erzeugen

Trotz aller Probleme: „Wir sollten keine Untergangsstimmung erzeugen“, findet Michael Nill. Wo die einen Baumarten auf dem Rückzug sei, fänden andere zur Renaissance, der Speierling etwa, die Elsbeere, der Feldahorn oder die Winterlinde. Nill schätzt, dass sich mit Baumarten wie diesen künftig trotzdem ein „klimastabiler Mischwald“ gestalten lasse. Je nach Standort und Situation im Kreis seien aber womöglich andere Arten geeigneter. Um das genauer zu prüfen, hatt der Fachbereich Forsten in Kooperation mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg bei Pulverdingen eine Versuchsfläche angelegt. Dort wird getestet, wie sich nicht-heimische Arten wie Baumhasel, Atlas- oder Libanonzeder hierzulande akklimatisieren.

Der Wald im Kreis besteht zu elf Prozent aus Staats- , zu 73 Prozent aus kommunalem und ansonsten aus Privatwald. Auch wenn die aktuelle Lage alles andere als rosig ist, findet Nill eines tröstlich: „Die Natur schenkt uns Baumarten, von denen wir wissen, dass sie’s können.“

Sicherheit auf der Straße
Auf den öffentlichen Straßen, die durch den Wald führen, wird es in den nächsten Monaten im Kreis immer wieder zu Straßensperrungen kommen: Waldarbeiter müssen kranke oder abgestorbene Bäume von den Straßensäumen entfernen. In den Wäldern, die vom Fachbereich Forsten des Landkreises betreut werden, ist dieser für die Verkehrssicherungspflicht zuständig. Je nach Aufwand reicht das von kurzfristigen Sperrungen mit Ampelschaltung bis zu tageweisen Vollsperrungen mit Umleitungsbeschilderung. Das sei zwar für die Verkehrsteilnehmer lästig, es führe aber kein Weg daran vorbei, sagt der stellvertretende Fachbereichsleiter Michael Nill – und bittet um Verständnis für die Unbilden.

Sicherheit im Wald
In Deutschland darf jeder den Walde zu Erholungszwecken betreten, tut das aber auf eigene Gefahr. Der Waldbesitzer haftet laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes nicht für waldtypische Gefahren wie Astbrüche, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch sind, besonders solche, die nicht durch die Natur bedingt sind.“