Fast 160 000 Kubikkilometer Eis beherbergen die Gletscher der Welt – die Eisschilde Grönlands und der Antarktis ausgenommen. Doch die gigantischen Wasserreservoirs schmelzen wie im Himalaya in besorgniserregendem Tempo dahin.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

London - Im Himalaya schmelzen die Gletscher doppelt so schnell wie in dem Vierteljahrhundert vor dem Jahr 2000. Das haben Wissenschaftler bei der Auswertung von Satellitenfotos errechnet, wie sie am Mittwoch in einer im Journal „Science Advances“ vorgestellten Studie berichten.

 

Mit Hilfe von dreidimensionalen Aufnahmen errechneten sie, dass die Himalaya-Gletscher in diesem Jahrhundert jährlich rund 7,7 Milliarden Tonnen Eis verlieren. In den Jahren 1975 bis 2000 seien es 3,9 Milliarden Tonnen gewesen.

Der Rückgang des Gletschereises dürfte in der Zukunft große Probleme bei der Versorgung von Hunderten von Millionen Menschen in der Region zur Folge haben. Sie sind beim Trinkwasser, bei Landwirtschaft und Wasserkraftwerken auf Wasser aus dem Himalaya angewiesen.

Gletscher schmelzen dahin

Das Volumen der meisten Gletscher ist einer aktuellen Studie zufolge kleiner als bislang angenommen. Das habe Auswirkungen auf die Süßwasserversorgung, schreiben die Autoren. Denn wenn weniger Schmelzwasser vom Berg komme, führten auch Flüsse, die die Landwirtschaft zur Bewässerung brauche, weniger Wasser.

Die Forscher um Daniel Farinotti von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich veröffentlichten die Studie im Fachjournal „Nature Geoscience“. Die Daten seien wichtig, um die Entwicklung der durch den Klimawandel schrumpfenden Gletscher besser beurteilen zu können.

Weniger Gletscher: Wasserversorgung ist gefährdet

Die Forscher schätzten das Eisvolumen von 215 000 Gletschern auf 158 000 Kubikkilometer. Das seien 18 Prozent weniger als der Durchschnitt früherer Schätzungen. Sie berücksichtigten dafür Satellitenbilder, Umrisse von Gletschern, digitale Höhenmodelle sowie Informationen über das Fließverhalten der Gletscher. Das Meereis und die zusammenhängenden Eisschilde Grönlands und der Antarktis ließen sie außer Acht. Rund die Hälfte der übrigen Gletscher liege in den arktischen Gebieten etwa von Nordamerika und Russland.

Die Gletscher des Himalayas und weiterer Gebirge Hochasiens haben nach den neuen Schätzungen zusammen nur 7000 Kubikkilometer Eis, ein Viertel weniger als bislang geschätzt. Damit sei zu befürchten, dass die Gletscherfläche dort schon in den 2060er – und nicht wie bisher angenommen in den 2070er Jahren – um die Hälfte geschrumpft sein werde. Das habe Konsequenzen für die Wasserversorgung. Die Gletscher Hochasiens speisen große Flüsse wie Indus, Tarim und die Zuflüsse des Aralsees. Davon hängen wiederum Hunderte Millionen Menschen ab.

Rapider Anstieg des Meeresspiegels

„Aufgrund dieser Neueinschätzung müssen wir davon ausgehen, dass die asiatischen Hochgebirge ihre Gletscher schneller verlieren können als bisher angenommen“, erklärt Farinotti. Insgesamt würde der Meeresspiegel um bis zu 32 Zentimeter ansteigen, wenn alle Berggletscher abschmelzen. Schmilzt Grönlands Eisschild komplett, würden die Weltmeere um rund sieben Meter ansteigen, wäre die Antarktis völlig eisfrei, wären es um rund 60 Meter mehr.