Muss sich die Menschheit auf eine sogenannten Heißzeit einstellen? Das Erdklima ist möglicherweise labiler als bisher gedacht. Eine neue Studie zum Klimawandel zeichnet ein düsteres Zukunftsbild.

Potsdam - Forscher waren vor einer „Heißzeit“ auf der Erde – selbst im Fall eines Einhaltens des Pariser Klimaabkommens. Bei einem solchen Szenario würde sich die Erde um vier bis fünf Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen, heißt es in einer am Montag im US-Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Scienes“ (PNAS) veröffentlichten Studie. Der Meeresspiegel würde um zehn bis 60 Meter ansteigen.

 

Der fatale Einfluss des Menschen

Das 2015 geschlossene Pariser Klimaschutzabkommen sieht eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad vor. Die Wissenschaftler – darunter das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) – verweisen in ihrer Studie auf insgesamt zehn Aspekte des „Erdsystems“, die von bislang „neutral“ oder „hilfreich“ zu künftig „schädlich“ kippen könnten.

Dabei würden künftig mehr klimaschädliches CO2 und Methan in die Atmosphäre abgegeben werden als durch jegliche menschliche Aktivität zusammengenommen.

Droht ein Domino-Effekt?

Die klimarelevanten Faktorenkönnten sich wie eine Reihe von Dominosteinen verhalten, sagte Mitautor Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre und designierter Ko-Direktor des PIK. „Wird einer von ihnen gekippt, schiebt dieses Element die Erde auf einen weiteren Kipp-Punkt zu.“ Der Ausstoß erderwärmender Gase wäre bezüglich der Temperatur unumkehrbar.

„Der Rückkopplungsprozess würde sich beim Überschreiten eines kritischen Punkts selbst verstetigen“, warnen die Forscher. „Das Erdsystem könnte auf einen planetarischen Grenzwert zusteuern, ab dem ein anhaltend schneller Weg hin zu viel heißeren Bedingungen eingeschlagen würde – dem Treibhaus Erde“, heißt es in der Studie.

Klimawandel hat bereits begonnen

Zu den Faktoren, die diese Entwicklung vorantreiben, zählen den Angaben zufolge unter anderem die auftauenden Permafrostböden in Russland, Kanada und Nordeuropa, die Eisschmelze in der Antarktis und das Regenwaldsterben. Alle diese Prozesse seien miteinander verbunden und der Zusammenbruch des einen könne den eines anderen auslösen.

„Der Mensch hat als geologische Kraft bereits seine Spuren im Erdsystem hinterlassen“, sagte Mitautor und PIK-Gründungsdirektor Hans Joachim Schellnhuber. „Werden dadurch empfindliche Elemente des Erdsystems gekippt, könnte sich die Erwärmung durch Rückkoppelungseffekte selbst weiter verstärken. Das Ergebnis wäre eine Welt, die anders ist, als alles, was wir kennen“, ergänzte er. „Die Forschung muss sich daran machen, dieses Risiko schnellstmöglich besser abzuschätzen.“

Unumkehrbarer Prozess?

Derzeit ist die Erde im Durchschnitt bereits gut ein Grad wärmer als noch vor Beginn der Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts. Selbst bei vorläufiger Begrenzung der menschengemachten Erderwärmung auf maximal zwei Grad könnten kritische Prozesse im Klimasystem angestoßen werden, die eine noch stärkere Erwärmung – auch ohne weiteres menschliches Zutun – bewirken, erläutert Will Steffen von der Australian National University (ANU) und dem Stockholm Resilience Centre (SRC). Das könnte bedeuten, dass sich der Klimawandel dann selbst verstärkt – „auf lange Sicht, über Jahrhunderte und vielleicht Jahrtausende“.

Der Artikel biete eine Einordnung von vielen Einzelstudien, bleibe aber recht unkonkret, kommentiert Klimaforscher Reto Knutti von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. „Das ist ein wichtiger und provozierender Artikel“, meint dagegen Jonathan Overpeck von der University of Michigan. „Die Risiken zu ignorieren, könnte katastrophal für den Menschen und den Planeten werden.“