Fünf Tage nach dem Start ist der Betrieb in der neuen Rems-Murr-Klinik gut angelaufen. Viele Mitarbeiter freuen sich über die Arbeitsbedingungen, 377 Patientenbetten sind belegt. Doch es gibt auch vereinzelt Beschwerden wegen unzumutbarer Wartezeiten und Chaos bei der Aufnahme.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Die erste Operation ist schon am Samstagabend über die Bühne gegangen. „Ein unkomplizierter Blinddarm, nach 23 Minuten war alles vorbei“, sagt Anja Hovenbitzer, die Leiterin des OP-Bereichs. Fünf Tage später, am Donnerstag, stehen 22 reguläre Eingriffe auf dem Plan. In einem der insgesamt 14 Säle werden gerade Dränagen an einem ziemlich deformierten Fuß gelegt, in einem anderen wird eine Hüftprothese eingesetzt. Unaufgeregt arbeiten die Ärzte und Schwestern, die man vom Sterilbereich aus durch eine Glasscheibe beobachten kann, Hand in Hand. Nichts deutet darauf hin, dass sie vor Kurzem einen völlig neuen Arbeitsplatz bezogen haben.

 

Routine im OP-Saal

„Was da im OP-Saal läuft, ist Routine“, bestätigt Anja Hovenbitzer, die zuvor auch für die Abläufe in den am Wochenende stillgelegten Krankenhäusern in Waiblingen und Backnang verantwortlich war. Ein bisschen gewöhnen müsse man sich hingegen noch an die Dimensionen, die neuen Laufwege und Aufbewahrungsplätze für das Operationszubehör. Manchmal müssten sich die Schwestern auf die Suche begeben, aber das spiele sich ein.

Noch nicht in Betrieb ist das Prunkstück, der Hybrid-OP, in dem mehrere medizinische Disziplinen gleichzeitig arbeiten können, und der ganz neue Operationsmöglichkeiten eröffnet. Hovenbitzer nennt als Beispiel einen Herzklappeneingriff, der via Femoralis-Arterie – also laienhaft erklärt irgendwie von der Leiste aus, ohne Bauch oder Brust zu öffnen – möglich sei.

Auch an anderer Stelle klingt Begeisterung über den neuen Arbeitsplatz durch. Djahesh Noor, der Leitende Oberarzt der Radiologie, bekommt richtiggehend leuchtende Augen, wenn er von seinem Toshiba-Aquillan-1 und dem Siemens-Aera-1,5-Tesler berichtet. Nur wenige Krankenhäuser in Deutschland könnten mit vergleichbaren Computer- beziehungsweise Magnetresonanztomographen (CT und MRT) aufwarten. „Mehr Technik geht kaum“, sagt Noor. Insbesondere das MRT eröffne Diagnoseerkenntnisse, die herkömmlich nur mit komplizierten und bisweilen nicht ungefährlichen Eingriffen bewerkstelligt werden könnten.

Noor ist froh, jetzt endlich richtig loslegen zu können. Zwar waren die Großgeräte schon einige Zeit vor Inbetriebnahme der Klinik geliefert worden und auch die Spezialisten der Hersteller standen zur Einweisung bereit, doch dem Doktor fehlten schlicht die Patienten. Aus versicherungstechnischen Gründen habe er vor dem Klinikstart keine untersuchen dürfen, sagt Noor. Doch er wusste sich zu helfen: Zwei Wochen lang rekrutierte er aus an der Klinikbaustelle beschäftigten Sicherheitsleuten und Handwerkern täglich Freiwillige, die sich an verschiedenen Körperstellen mit dem strahlungs- und nebenwirkungsfreien MRT unter die Lupe nehmen ließen – „als ,Probanden’, nicht als Patienten“, wie der Arzt betont. Seit dem vergangenen Wochenende sind die Geräte offiziell im Einsatz, liefern bewegte Bilder von schlagenden Herzen, die selbst einen Profi wie Noor beeindrucken und dazu antreiben, in der Abteilung ein Forschungsprojekt zu implementieren. Etwa dem Bereich Onkologie, glaubt Noor, könnte die Spezialdiagnostik nämlich möglicherweise zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen verhelfen.

Geburtenanstieg in der Kinderklinik

Zu bisher nie dagewesenen Geburtenraten habe der leitende Oberearzt Sükrü Arioglu der Kinderklinik schon verholfen, als diese noch in Waiblingen beheimatet war – von dieser Ursache ist zumindest der Bereichsleiter Sebastian Mischner überzeugt. In Winnenden rechne er dank Arioglus ausgezeichneten Rufes als Geburtshelfer, aber auch wegen des deutlich verbesserten Umfeldes, mit weiter steigenden Zahlen. Während sich beispielsweise die Neonatologie in Waiblingen mit einem einzigen großen Raum begnügen habe müssen, „haben wir hier Luft und Platz und können ganz anders arbeiten“, sagt Mischner. Auch die Eltern der Frühchen und zum Teil schwer kranker Kinder könnten ganz anders in den Stationsalltag integriert werden.

Die Klinik scheint – zumindest was beim Presserundgang präsentiert wird – gut angelaufen, aber es gibt auch kritische Stimmen. Einzelne Patienten berichten gegenüber unserer Zeitung von unzumutbaren Wartezeiten, von Chaos bei der Aufnahme. Es muss sich rasch einspielen, denn das Krankenhaus ist auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, zu einem medizinischen Magneten zu werden.

Die ersten Zahlen klingen aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht schlecht: Mit 195 Patienten aus Waiblingen und Backnang war man am Wochenende gestartet, am Sonntagnachmittag wurden bereits 234 gezählt und die jüngste „Mitternachtsstatistik“ von Mittwoch auf Donnerstag verzeichnet 377 belegte Betten.