Die Stimmung in der Notaufnahme ist oftmals gereizt. Ein Gewaltpräventions-Team am Robert-Bosch-Krankenhaus schult die Klinik-Mitarbeiter, damit sie sich in kritischen Situationen richtig verhalten.

Bad Cannstatt - Nach Angaben der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) machen aggressive Patienten den Kliniken im Südwesten verstärkt zu schaffen. Gründe für die Zunahme der Gewaltbereitschaft sind laut BWKG unter anderem lange Wartezeiten und krankheitsbedingte Stresssituationen. Hinzu kommt der Studie zufolge die große Anzahl ambulanter Notfälle in Krankenhäusern sowie die unklare Struktur, wer für welchen Notfall zuständig ist.

 

Um Eskalationen oder gewalttätige Übergriffe in der Notaufnahme zu verhindern, setzt man am Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) auf ein Gewaltpräventions-Team, zu dem sich vier Mitarbeiter des RBK zusammengeschlossen haben. Einer von ihnen ist Markus Günther, Oberarzt am Notaufnahmezentrum. Das Team schult unter anderem Mitarbeiter der Notaufnahme darin, wie Ursachen von Gewaltausbrüchen erkannt und Eskalationen verhindert werden können. „Wir versuchen, das richtige Verhalten in konfliktreichen Situationen zu trainieren“, sagt Günther. Dazu gehören verbale Deeskalationstechniken aber auch sogenannte patientenschonende Befreiungstechniken. Dabei wird geübt, wie sich ein Mitarbeiter aus dem Griff eines aggressiven Patienten befreien kann, ohne diesen zu verletzen. Im Klinikalltag wird diese Technik jedoch nur selten eingesetzt, denn einen Anstieg von gewalttätigen Übergriffen kann Günther in der Notaufnahme nicht feststellen. „Die sind ohnehin wirklich selten.“ Insgesamt ist der Ton in der Notaufnahme aber in den vergangenen Jahren rauer geworden, sagt er. Zu einer angespannten Atmosphäre trägt Günthers Einschätzung zufolge auch die Angst vor einer schlimmen Diagnose bei, oft ausgelöst durch Eigenrecherche im Internet.

Lange Wartezeiten befördern Konflikte

Wenn eine Situation im Warte- oder im Behandlungszimmer außer Kontrolle gerät, kann im Notfall auch ein Sicherheitsdienst eingreifen. Allerdings sind dessen Mitarbeiter eigentlich für den Objektschutz über Nacht zuständig und nicht speziell für die Sicherheit in der Notaufnahme verantwortlich. „Wenn andere Patienten oder Mitarbeiter gefährdet sind, wird die Polizei verständigt“, sagt Günther.

Zu der gereizten Stimmung in der Notaufnahme tragen laut Studie auch lange Wartezeiten bei. Diese haben unterschiedliche Ursachen: Viele Patienten kommen aus Ländern ohne Hausarzt-System, die im Krankheitsfall unsicher sind, wohin sie sich wenden sollen und die Notaufnahme aufsuchen. Verschärfend kommt in Stuttgart vor allem am Wochenende hinzu, dass die Notfallpraxis am Marienhospital den Bereitschaftsdienst für das gesamte Stadtgebiet abdeckt. Für einige Patienten ist der Weg dorthin jedoch weit, vor allem für ältere Menschen. Auch bei akuten gesundheitlichen Problemen wird häufig die nächstgelegene Notaufnahme aufgesucht.

Wegen Überfüllung schließen kann die Notaufnahme jedoch nicht und Patienten an andere Stellen zu verweisen, ist nicht einfach. „Wir müssen nachsehen, ob ein relevantes gesundheitliches Problem vorliegt“, sagt Günther. Aus seiner Sicht liegt der Fehler im System. Eine Lösung könnte sein, die ambulante Versorgung am Wochenende außerhalb der Notaufnahme auszubauen, sodass Patienten mit kleineren Beschwerden dort behandelt werden können.