Bürgermeister Werner Wölfle ist zu einer untragbaren Belastung für Stuttgart geworden. Wenn er der Stadt noch einen Dienst erweisen will, muss er zurücktreten, meint Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Auch wenn der Verdacht gegen Werner Wölfle schwer wiegt und der gesamte Vorgang beispiellos erscheint, gilt auch in diesem Fall zunächst die juristische Unschuldsvermutung. Dieser Hinweis ist wichtig, weil der Stuttgarter Klinikumsskandal an diesem Donnerstag eine neue Stufe erreicht hat. Bisher ging es im Blick auf den früheren Krankenhaus- und heutigen Sozialbürgermeister vor allem um politische Verantwortung (die er nicht übernommen hat) und um verwaltungsinterne Verfehlungen (an die er sich nicht erinnern kann). Jetzt aber kommt die strafrechtliche Dimension hinzu: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue und untersucht daher das Büro und die Wohnung des Bürgermeisters. Das tun die Ermittler nicht einfach so, sondern weil sie Beweise sichern müssen, die Wölfle ent- oder belasten.

 

Der Verdacht begleitet Wölfle schon seit Wochen

In der großen Politik, im Bund oder beim Land, wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt erreicht, an dem ein Minister zurücktreten muss. Denn trotz der erwähnten Unschuldsvermutung hat schon der Verdacht auf eine strafbare Handlung unmittelbaren Einfluss auf die politische Handlungsfähigkeit eines Mandatsträgers. Diese Diagnose gilt auch für Wölfle. Bereits in den vergangenen Wochen konnte der Grüne seine Amtsgeschäfte nicht mehr unbelastet führen. Jetzt ist es damit vollends vorbei: Ein unter dem Verdacht der Untreue stehender Bürgermeister kann weder die Sitzung eines Ausschusses leiten noch repräsentative Aufgaben nach außen übernehmen, ohne dass er ständig mit dem strafrechtlichen Verdacht gegen sich konfrontiert wäre. Werner Wölfle ist, so dramatisch das für ihn ob seiner unbestrittenen Lebensleistung als Sozialpolitiker ist, zu einer nicht mehr tragbaren Belastung geworden. Er kann der Stadt, der er gedient und die er mitgeprägt hat, trotzdem noch einen Dienst erweisen: den Rücktritt.